Düsseldorf Die Welt läuft heiß

Düsseldorf · Durch den Klimawandel schmilzt nicht nur das Eis an den Polen. Weltweit werden sich die Lebensbedingungen verändern.

Wieder einmal eine große Konferenz zum Klimaschutz. Und wieder einmal tönen die lauten Stimmen von Politikern, die versprechen, den Klimawandel aufzuhalten. Sie haben das Abkommen von Paris als großen Durchbruch gefeiert. Demnach soll die Temperatur der Erdatmosphäre nicht um mehr als zwei Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung ansteigen. Sicher ist es ein Verhandlungserfolg, dass das Zwei-Grad-Ziel und "die akute Bedrohung durch Klimaänderungen" weithin anerkannt werden, doch eine bloße Absichtserklärung wird die Veränderung des Weltklimas ebenso wenig aufhalten wie die populäre Diskussion, ob die Zahl der Hurrikans in den letzten Jahren nun zugenommen hat oder nicht.

Gefragt sind konkrete Aktionen, auch das völkerrechtlich verbindliche Pariser Dokument sieht bei den Industrieländern einen "erheblichem Anpassungsbedarf". Zahlreiche Wissenschaftler weltweit haben versucht, die Bedrohung darzustellen, um die Gefahr des Zuwenigtuns zu beschreiben. Vier renommierte Klimainstitute haben eine gemeinsame Prognose für den verbliebenen Handlungsspielraum erstellt. Mit jedem Jahr, in dem sich die Weltgemeinschaft nicht auf wirksame Maßnahmen zur Verringerung des Kohlendioxidausstoßes einigt, wird die Aufgabe schwieriger. Wenn es bis zum Jahr 2020 gelingt, die Treibhausgasemissionen deutlich zu reduzieren, bleiben uns danach etwa 20 Jahre, um unseren Lebensstil auf eine CO2-freie Variante umzustellen. Schaffen wir das erst 2025, halbiert sich dieser Zeitraum. Nach einer Studie der Universität Washington liegt die Wahrscheinlichkeit, dass der Temperaturanstieg bis zum Ende des Jahrhunderts auf zwei Grad oder weniger begrenzt werden kann, bei lediglich fünf Prozent. Nie zuvor war die Arroganz der Lebenden so groß gegenüber dem, was sie späteren Generationen hinterlassen.

Skeptiker antworten gern, dass die Wissenschaft schon viele Szenarien aufgeblasen habe. Das stimmt leider, aber bei keiner vorherigen Prognose war die Faktenlage bisher so gut. Und selbst, wenn nur die Hälfte der Ergebnisse der Computersimulationen stimmen sollte, wird das Leben auf der Erde für viele Menschen ohne die Verringerung der Emissionen ungemütlich genug.

Denn unsere Assoziationen zum Klimawandel lassen viele dramatische Prozesse außer Acht. Klimawandel, das bedeutet mehr als nur das Korallensterben, mehr als nur den ausbleibenden Schnee in den Alpen, steigende Meeresspiegel, schmelzende Eisflächen an den Polen oder häufige Stürme und Starkregenereignisse. Der Klimawandel trifft die Welt ganz unterschiedlich. Einige wenige Regionen werden davon profitieren, dass sich Klimazonen verschieben. Aber andere Regionen werden unbewohnbar werden. So verringern die steigenden Temperaturen die Ernteausbeute von Getreide und anderen Lebensmitteln. Wissenschaftler haben das in Gewächshäusern simuliert. Für jedes Grad Erderwärmung sinkt die Weizenernte um sechs Prozent, bei der Reisernte betragen die Einbußen zehn Prozent. Dazu kommen heftige Niederschläge, deren Wasser nicht mehr der Landwirtschaft dient, sondern nur noch zerstört.

Gesundheitliche Effekte sind bereits dokumentiert. Von 2000 bis 2016 waren etwa 125 Millionen Menschen über 65 Jahre weltweit einer massiven Hitzewelle ausgesetzt, so hat es eine internationale Mediziner-Gruppe ermittelt. Viele Menschen werden regelmäßig Angst vor dem Sommer entwickeln: In Südeuropa werden wochenlange Hitzewellen erwartet. Den Berechnungen zufolge klettert die sommerliche Durchschnittstemperatur in irakischen Städten selbst in einem milderen Szenario am Ende dieses Jahrhunderts auf über 46 Grad. Für 1,5 Milliarden Menschen im südlichen Pakistan, in Bangladesch und in Teilen von Indien werden durch die Kombination von hohen Temperaturen und extremer Luftfeuchtigkeit bis zum Ende des Jahrhunderts lebensgefährliche Bedingungen erreicht, die an einen Dauerbesuch in der Sauna erinnern. Wer es sich leisten kann, schützt sich durch Klimaanlagen oder sucht ein neues Zuhause. Die anderen müssen um ihr Überleben kämpfen. Zudem beobachten die Forscher seit Jahren, wie sich der Lebensraum der Anopheles-Mücke und der Ägyptischen Tigermücke vergrößert. Die Insekten können durch ihre Stiche Malaria, das Dengue-Fieber und andere tödliche Krankheiten übertragen.

Und es gibt weitere mögliche Effekte, die allerdings nicht besonders gut untersucht sind. So sollen Menschen bei höheren Temperaturen verstärkt zur Gewalt neigen. Gleichzeitig gibt es Anzeichen, dass eine höhere Konzentration an Kohlendioxid in der Atemluft die kognitive Leistung des Gehirns verringert. Die steigenden Temperaturen lassen die Permafrost-Böden langsam tauen, die etwa ein Viertel der Landfläche auf der Nordhalbkugel ausmachen. Das kurbelt den Klimawandel um bis zu 0,2 Grad an, weil bisher eingefrorene Bakterien mit der Zersetzung von abgestorbenen Pflanzenresten beginnen. Tausende Methanblasen werden platzen und ein sehr potentes Treibhausgas freisetzen. Doch der Dauerfrostboden setzt auch ganz andere Risiken frei. Im Sommer 2016 infizierten sich in der sibirischen Tundra etwa 2000 Rentiere mit Milzbrand. Ein Junge, der die Tiere betreute, starb. Der Erreger war jahrhundertelang eingefroren.

(rai)
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