Originalgetreue Rekonstruktion Ein Gesicht für Freibeuter Störtebeker

Hamburg (rpo). Der legendäre Freibeuter Klaus Störtebeker hat endlich wieder ein Gesicht. Mehr als 600 Jahre nach der Hinrichtung in Hamburg ist jetzt im Museum für Hamburgisches Geschichte eine originalgetreue Rekonstruktion zu besichtigen. Vorbild war ein seit 120 Jahren zum Museumsbestand gehörender Schädel.

Die Nachbildung wurde von der renommierten französischen Künstlerin Elisabeth Daynès geschaffen und entstand im Auftrag von "Spiegel TV". Vorbild des in Kooperation mit Rechtsmedizinern, Anthropologen und Historikern für eine Filmdokumentation hergestellten Kopfes war ein seit 120 Jahren zum Museumsbestand gehörender Schädel. Daynès, die auf Gesichts- und Ganzkörperrekonstruktionen spezialisiert ist, brauchte für die Nachbildung nach eigenen Angaben anderthalb Monate.

Der Schädel selbst war gemeinsam mit einen weiteren 1878 bei Bauarbeiten auf dem Grasbrook, dem Hamburger Hinrichtungsplatz im Mittelalter, entdeckt worden, hatte jedoch seither einen "wissenschaftlichen Dornröschenschlaf" gehalten, wie der Hamburger Mittelalter-Experte Ralf Wiechmann am Mittwoch sagte. Allerdings stehe der letzte Beweis, ob es sich wirklich um Störtebekers Kopf handelt, noch immer aus. Störtebeker, Anführer der "Vitalienbrüder", soll am 20. Oktober 1401 in Hamburg geköpft worden sein.

Ungeachtet zahlreicher Legenden und populärer Deutungen sieht der an dem Projekt beteiligte Biologe Günter Bräuer von der Universität Hamburg durchaus Indizien, die auf eine mögliche Identität als Störtebeker-Schädel hindeuten: Der Mann sei mit Sicherheit Pirat gewesen und bei einer der großen öffentlichen Hinrichtungen auf dem Grasbrook enthauptet worden. Sein Kopf sei zudem an der Einfahrt zum Hafen aufgenagelt und als Abschreckung zur Schau gestellt worden.

Das Alter liege etwa bei Mitte dreißig, und Spuren am Schädel deuteten auf ein wildes Leben an Bord hin. Außerdem hätten wissenschaftliche Untersuchungen des Schädels im archäologischen Forschungslabor der Universität Oxford ergeben, dass die Enthauptung zwischen 1390 und 1450 stattfand. In dieser Zeit seien nur 88 Hinrichtungen von Piraten belegt, wofür ausschließlich der nahe der heutigen Kehrwiederspitze gelegene Grasbrook genutzt worden sei, sagte Bräuer.

Genetischer Fingerabdruck

Im kommenden Jahr will ein internationales Forscherteam über eine DNA-Analyse die Abstammungsfrage des "Störtebeker-Schädels" klären. Dazu hofft Bräuer, in den Knochen noch so genannte Kern-DNA für einen genetischen Fingerabdruck isolieren zu können. Dieser solle dann mit der DNA von Störtebeker-Nachfahren verglichen werden. Dazu machte Bräuer im Telefonverzeichnis bereits bundesweit 40 Einträge dieses Namens ausfindig, deren Inhaber zu einem freiwilligen Test gebeten werden sollen. Dies könne aber ein Jahr oder länger dauern.

Auch der genaue Hinrichtungszeitpunkt könnte sich laut Historiker Wichmann noch bestimmen lassen: Es sei möglich, dass es in den Schädelnebenhöhlen noch Pollenablagerungen gebe. Diese könnten ausgespült und analysiert werden. Eventuell ließe sich an der Art der Pollen ermitteln, in welchem Monat der Pirat geköpft worden sei. Dies würde dann mit schriftlichen Überlieferungen verglichen.

(afp)
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