Rock-CD Ein neues Meisterwerk von Paul Simon

Paul Simon hat soeben sein bestes Album seit dem fantastischen "Graceland" aus dem Jahr 1986 vorgelegt: Die Platte heißt "Stranger To Stranger", und man übertreibt nicht, wenn man sie als experimentell bezeichnet. Bei drei der elf Stücke hat der 74-Jährige nämlich mit dem jungen italienischen Dancemusic-Produzenten Clap! Clap! zusammengearbeitet, und was bei der von Simons Sohn Adrian vermittelten Kooperation herausgekommen ist, klingt schräg und ziemlich charmant.

Man nehme nur die Eröffnungsnummer: In "The Werewolf" hängt Simons Stimme in einem Gerüst aus elektronisch verstärkten Handclaps, dazu singt eine Westerngitarre, man hört afrikanische Percussion und einen Chor, und irgendwann heult tatsächlich ein Werwolf den Vollmond an. Die Arrangements sind stets bis zum Bersten vollgestopft, und dennoch wirken die Lieder nicht überladen, sondern gewitzt, heiter und leichtfüßig. Das beste Beispiel ist der lustige Song "Wristband", in dem Simon von einem Rockstar erzählt, der es nicht schafft, zu seinem eigenen Konzert zu kommen - die Sicherheitsleute wollen ihn nicht einlassen, weil er das Erkennungsbändchen am Handgelenk nicht trägt.

Es geht auf dieser Platte im Grunde nur um Echoeffekte und Rhythmus, es wirkt, als habe Paul Simon seine Lust am Spiel mit den Effektgeräten entdeckt. Er mischt elektronische Beats und Gospel mit seinem typischen Songwriting, das noch immer hippiesk gefärbt ist und sich zugleich durch diesen New Yorker Humor auszeichnet, den die Filme von Woody Allen auch mal hatten. Die Besetzung ist erlesen, Jack DeJohnette sitzt an den Drums, Bobby McFerrin singt im Background, Chuck Close hat das Cover gemalt, und der junge Komponist Nico Muhly besorgt die Arrangements der Blasinstrumente.

Fünf Jahre arbeitete Paul Simon an der Platte, die so verblüffend und so schlüssig ist. Das Schönste daran ist indes diese Stimme, die noch immer wie die eines großen Jungen anmutet. Man muss erleben, wie Simon die ersten Verse des Titelsongs singt: "Could you imagine us / Falling in love again?". Herrlich.

(RP)
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