Ewiges Mysterium Externsteine

Während der Sommerferien berichten unsere Reporter von geheimnisvollen Orten in NRW. In der ersten Folge geht es um die Externsteine im Teutoburger Wald. Um die bizarre Felsformation ranken sich viele Geschichten. Bis heute bleiben einige historische Überbleibsel rätselhaft.

Horn-Bad Meinberg Seit 70 Millionen Jahren stehen sie unübersehbar in der Landschaft – und haben ihre Geheimnisse dennoch nie preisgegeben. Die Externsteine zählen zu den großen Naturwundern in Nordrhein-Westfalen. Weit mehr als eine Million Menschen fährt jedes Jahr in den Teutoburger Wald, um die bizarre Sandstein-Formation zu besuchen und den Geschichten zu lauschen, die sich um die verwitterten Felsen ranken. Adolf Nagel ist ein solcher Geschichtenerzähler; der 70-Jährige hat sein ganzes Leben nahe des Naturdenkmals verbracht und arbeitet als Führer. Dennoch seien die Steine auch für ihn immer anders, sagt er, je nach Perspektive, Licht und Jahreszeiten. Aber das müsse jeder für sich selbst entdecken, sagt Nagel. "Jeder soll die Externsteine auf sich wirken lassen."

Vier große Felsen bilden die Gruppe, die vor rund 70 Millionen Jahren, als das Gebirge des Teutoburger Waldes entstand, aufgerichtet wurde. Seither sind die Externsteine den Erosionskräften der Elemente ausgesetzt. Wer will, kann in den zerfurchten Felsen überall Fratzen und Formen erkennen – einen Löwenkopf hier, ein Gesicht dort. Die Steinformation regt die Fantasie an, scheint wie ein mystisches Monument aus einer anderen Zeit. Tatsächlich existieren Spuren aus der Altsteinzeit, rund 10 000 Jahre alte Funde von Pfeilspitzen und Klingen aus Flintstein. Danach jedoch sind die Externsteine über Jahrtausende verwaist. Erst für die Karolingerzeit, also um etwa 800 n. Chr., gibt es wieder archäologische Belege – und damit mögen sich viele Menschen nicht abfinden.

Adolf Nagel ist einer von ihnen. Er zweifelt, auch wenn es keinerlei Beweise dafür gibt. Es könne doch nicht sein, sagt Nagel, dass sich über so einen langen Zeitraum nie Menschen bei den Externsteinen aufgehalten hätten. Er vermutet, dass sich zum Beispiel die Kelten dort herumgetrieben haben. Eventuelle Spuren könnten bei den Ausgrabungen der Nationalsozialisten zwischen 1932 und 1935 zerstört worden sein. Könnten. Aber gerade das macht den Reiz der Felsengruppe aus – dass vieles vage bleibt.

Selbst die unübersehbaren menschlichen Zeugnisse geben Rätsel auf. Das große Kreuzabnahmerelief etwa, datiert auf etwa 1150 n. Chr., dessen unterer Teil zwei Menschen, vielleicht Adam und Eva, von einem Untier umschlungen zeigt. Dieser untere Teil des Reliefs ist erhabener als der obere Teil. Ein Hinweis darauf, dass ein vorchristliches Relief überdeckt wurde? "Schon möglich", sagt Nagel und zuckt mit den Achseln. Man weiß es nicht genau. Auch die in den Fels geschlagenen Grotten könnten heidnische Symbole enthalten haben, die später weggehauen wurden. Kommt drauf an, wer was in den Steinen sehen will.

Für den Abt des Klosters Werden waren die Felsen eine Raststation auf dem Weg ins Tochterkloster Helmstedt. Einsiedler im Spätmittelalter nutzten die Grotte als Wohnstätte. Graf Hermann Adolf zur Lippe errichtete dort 1660 eine (heute verschwundene) Festung. Und die Nationalsozialisten suchten bei den Externsteinen nach Belegen für ihre germanischen Wurzeln. Vergeblich. Das ändert aber nichts daran, dass auch heute noch Gruppen versuchen, die Steine für sich zu vereinnahmen. Jahrelang zog es Rechtsextreme und Esoteriker zur Feier der Sommersonnenwende an den mystisch aufgeladenen Flecken. Heute kommen nur noch die Esoteriker, die in den Steinen einen "Kraftort" sehen. Waren es früher 2000 Menschen, die dort wilde Feste feierten, wurde die diesjährige Sommersonnenwende nur noch von rund 200 Personen begangen.

Adolf Nagel begrüßt diese Entwicklung. Die Externsteine stehen in einem Naturschutzgebiet, die Feierwütigen müllten aber trotzdem die Wälder zu. Nagel möchte die Externsteine lieber unberührt sehen, damit sich jeder Besucher ungestört sein Bild machen kann. Begeistert erzählt er vom Wackel- oder Teufelsstein, der bedrohlich an einer Felskante thront. Den soll der Teufel dort hingeschmissen haben und erst, wenn eine hohe Dame des englischen Königshauses vorbei komme, dann falle er herunter. Rund 40 Meter hoch sind die Externsteine, ein Sturz hätte üble Folgen. Dennoch lassen sich die Steine über eine Treppe besteigen, eine geschwungene Brücke führt über den Abgrund von einem Fels zum anderen. Von oben bietet sich zwar ein schöner Blick auf Wiesen und Wälder, dem Geheimnis der Externsteine kommt man aber auch von oben nicht näher – die Steine schweigen sich weiter aus.

Morgen Das Radioteleskop Effelsberg.

(RP)
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