Düsseldorf Fliegende Brutstätte der Ebola-Epidemie

Düsseldorf · Fledermäuse und Flughunde gelten als Auslöser für den Erreger, der in Westafrika schon mehr als tausend Menschen das Leben gekostet hat.

Fabian Leendertz kämpft sich mit Mundschutz, Schutzbrille und Handschuhen durch den westafrikanischen Dschungel. Er spannt Fallen zwischen Bäumen auf - und wartet. Minuten. Stunden. Bis er zuschlagen kann. Und die Fledermaus im Netz ist. Der 41-Jährige braucht ihr Blut. Für seine Forschung. Für die Einheimischen. Für den Kampf gegen ein tödliches Virus. Denn die Tiere gelten als Träger des Ebola-Erregers, der in den betroffenen Ländern Guinea, Liberia, Sierra Leone und Nigeria mehr als 1100 Menschen getötet hat.

Ebola breitet sich in Afrika aus wie ein Buschbrand. Aber auch in Europa sitzt die Angst tief: Erst gestern hat ein Krankenhaus im belgischen Ostende einen 13 Jahre alten Jugendlichen isoliert. Der aus dem westafrikanischen Guinea stammende Junge war mit starkem Fieber eingeliefert worden.

Das Virus verursacht Erbrechen, Durchfall, Fieber, innere und äußere Blutungen. Es wird durch Blut und andere Körperflüssigkeiten übertragen. Die Inkubationszeit beträgt drei Tage bis maximal drei Wochen. 1976 war die Krankheit erstmals nahe des afrikanischen Ebola-Flusses gemeldet worden. Der Erreger kann nur in Labortests nachgewiesen werden - das erschwert den Kampf gegen die Ausbreitung.

Bereits Anfang April war ein zwölfköpfiges Team um Fabian Leendertz vom Berliner Robert-Koch-Insitut in Südguinea unterwegs. In Guéckédou, dort, wo der Ausbruch 2013 begonnen hat, wurden die Forscher mit offenen Armen empfangen. "Die Einheimischen waren froh, dass jemand ihnen hilft. Sie wollen so etwas nicht noch einmal erleben."

Was war geschehen? Rückblick, Dezember 2013: Innerhalb weniger Tage stirbt ein zweijähriges Kind, dann erkrankten seine Mutter, ein dreijähriges Geschwisterkind, die Großmutter, eine Krankenschwester und die Hebamme des Ortes. Sie trägt das Virus weiter in andere Dörfer, steckt Pfleger und Ärzte an. Das 5600 Einwohner-Dorf wird so zum Epizentrum der Ebola.

Doch wie konnte sich das kleine Kind mit dem tödlichen Virus infizieren? Es sei vorstellbar, dass es Kontakt mit einem frisch geschlachteten Tier gehabt hat und sich anschließend durch Augen oder Mund gegangen ist, sagt Leendertz. In ganz Westafrika sei es üblich, Fledermäuse, Flughunde und anderes Wildtier ("bush meat") zu essen - gegrillt, geräuchert oder als Suppe gekocht.

Die Afrikaner jagen die Tiere aus Tradition. "Momentan gehen die Dorfbewohner aber sehr vorsichtig mit Buschfleisch um. Der Schrecken sitzt tief. Wenn sich das Virus unter den Tieren ausgebreitet hat, ist auch das Risiko hoch, dass sich Menschen erneut anstecken." Die Behörden in Guinea haben bereits reagiert und verbieten seit einigen Monaten den Verkauf und Konsum von Wildtieren.

Flughunde - die zu der Gruppe der Fledertiere zählen - und Fledermäuse sind als "Brutstätte des Bösen" verschrien. Sie gelten als perfekte Träger für gefährliche Infektionskrankheiten. Denn das Immunsystem der Fledertiere hat sich so verändert, dass sie gegen Viren resistent sind, die für Menschen tödlich sein können. Ein Erreger wie Ebola - aber auch Tollwut oder Sars - vermehrt sich in dem Körper der Tiere, sie geben es an ihren Nachwuchs weiter, werden aber selbst nicht krank. So steigt die Gefahr, dass Erreger, die jahrzehntelang in diesen Tieren schlummern, auch auf Menschen überspringen. Die meisten gefährlichen Virusarten konnten Forscher dabei in Proben von nicht-europäischen Fledertierarten nachweisen.

Erst Ende März erfuhr die Regierung in Guinea von den Todesfällen im Süden des Landes. Sofort alarmierte sie die WHO und die internationale Hilfsorganisation "Ärzte ohne Grenzen." Seitdem analysiert ein Team um Stephan Günther vom Hamburger Bernhard-Nocht-Institut und Sylvain Baize vom Institut Pasteur in Lyon das Erbgut des Virus. Schnell fanden sie heraus, dass die Infizierten an einer bisher unbekannten Variante von "Ebola Zaire" leiden - eine von fünf bekannten Arten des Erregers. Sie ist nach Angaben der WHO mit einer Sterblichkeitsrate von bis zu 90 Prozent die gefährlichste. Tropenmediziner Günther warnt jedoch vor einer Panikmache in Deutschland. "Das Ebolavirus wird sich in Europa nicht verbreiten."

Das Problem: Ebola verschwindet genauso schnell, wie es irgendwo auftaucht. Verdächtig ist auch der sogenannte Palmenflughund. Er wandert über große Strecken. Diese Art könnte das Virus deshalb irgendwann nach Westafrika getragen und dort heimische Arten infiziert haben, vermuten einige Experten. Andere wiederum gehen davon aus, dass der Erreger schon seit Jahrhunderten in den westafrikanischen Tierpopulationen schlummert.

Leendertz und sein Forscherteam können die derzeitige Ebola-Epidemie nicht mehr stoppen. "Unsere Arbeiten können aber dazu beitragen, das Risiko für das Auftreten zukünftiger Epidemien zu vermindern." Deshalb geht Leendertz gerne auf die Suche nach den gefährlichen Tieren - weil er etwas bewirken will.

(RP)
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