Kernfusion als saubere Atomkraft Das Sonnenfeuer auf der Erde kopieren

Jülich (RPO). Kernfusion gilt unter Experten gegenüber der Kernspaltung, wie sie in den bestehenden Atomkraftwerken stattfindet, als deutlich sicherer und umweltfreundlicher. Grund sind vor allem die geringen benötigten Brennstoffmengen und die Möglichkeit einer schnellen Abschaltung des Reaktors.

 Der Plasmagenerator "PSI-2 Jülich" am Forschungszentrum Jülich.

Der Plasmagenerator "PSI-2 Jülich" am Forschungszentrum Jülich.

Foto: dapd, dapd

Die Apparatur könnte man sich gut als Modell einer Zeitmaschine in einem Science-Fiction-Film vorstellen: Ein unüberschaubar wirkendes Gewirr aus Magnetspulen, Kühlschläuchen und zahllosen Kabeln lässt den sieben Meter langen und drei Tonnen schweren Koloss wie ein technisches Geheimnis wirken, in dem ungeahnte Kräfte schlummern. Und in der Tat ist er so etwas wie ein Fahrstuhl in die Zukunft.

"PSI-2 Jülich" heißt die Apparatur, die aber keine Zeitmaschine ist, sondern ein Plasmagenerator, der in einer Halle des Instituts für Energie- und Klimaforschung am Forschungszentrum Jülich seinen Dienst tut. Er ist Grundlage eines neuen Experiments, mit dem ein Team um den Plasmaphysiker Bernhard Unterberg einige entscheidende Schwierigkeiten auf dem Weg zu einer der vielversprechendsten Energiequellen für die Menschheit ausräumen will - der Kernfusion.

Unerschöpfliche Energiequelle

Schon seit mehr als einem halben Jahrhundert arbeiten Wissenschaftler daran, die Energieerzeugung der Sonne auf der Erde zu kopieren. Bei unvorstellbaren Temperaturen von um die 15 Millionen Grad verschmilzt auf unserem Mutterstern in einem seit Milliarden Jahren währenden kontinuierlichen Prozess Wasserstoff zu Helium, wobei riesige Mengen an Energie frei werden - Energie, mit der die Sonne irdisches Leben überhaupt erst möglich gemacht hat.

Gelänge es, das Sonnenfeuer auf die Erde zu holen, hätte die Menschheit im Gegensatz zur riskanten Kernspaltung eine unerschöpfliche und zudem sichere, saubere und kohlendioxidfreie Energiequelle zur Hand, wie Energieexperten übereinstimmend betonen. Der aus den beiden Wasserstoffsorten Deuterium und Tritium bestehende Fusionsbrennstoff wird aus Wasser (Deuterium) und Gestein (Tritium) gewonnen und ist damit weltweit frei verfügbar. Das Edelgas Helium als "Abfallprodukt" ist ungefährlich für die Umwelt.

In Fusionsbrennkammern in Forschungszentren weltweit, auch in Jülich, wurden bereits oft Gase so hoch erhitzt, dass in dem so entstandenen Plasma eine Kernfusion stattfand - bislang aber nur für höchstens eine Minute. Die bisherigen Experimente bestätigten aber lediglich die Machbarkeit des Fusionsprozesses auf der Erde. Ein Energieüberschuss wurde damit bislang nicht erzeugt.

Der Weg zu einem ersten dauerhaft und wirtschaftlich betriebenen Fusionsreaktor, der nach internationalen Plänen ab etwa 2035 Strom erzeugen soll, ist deshalb noch weit. "Zwar sind die hohen Brenntemperaturen an sich kein Problem mehr, weil Magnetfelder den Kontakt des heißen Plasmas mit der Reaktorwand wirksam verhindern", erläutert Unterberg die Erfolge der Fusionsexperimente.

Hitze setzt Reaktorwänden zu

Doch beim Dauerbetrieb eines Reaktors lässt sich der Kontakt des Plasmas mit Teilen der Kammerwände nicht ganz vermeiden - er ist sogar notwendig: "Die bei der Fusion entstehenden Heliumkerne wirken wie das Verbrennungsprodukt Kohlendioxid auf eine Kerze im abgedeckten Glas. Wenn wir das Helium nicht rechtzeitig und kontinuierlich entfernen, erstickt die Fusion", beschreibt der Jülicher Physiker Ralph Schorn das Problem. Deshalb müsse das Magnetfeld an bestimmten Stellen gezielt geöffnet werden, um das Helium sowie ebenfalls entstehende Neutronen abpumpen zu können.

Zwar sind die abfließenden Teilchen längst nicht mehr so heiß wie das "Sonnenfeuer" im Zentrum der Brennkammer. Die entstehende Hitze entspreche aber immer noch der Belastung, die die - jüngst ausgedienten - Space Shuttle beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre aushalten mussten, fügt Schorn an.

Die Spezial-Kacheln an der Unterseite des Shuttle waren diesem "Stress" nur kurzzeitig ausgesetzt. Dagegen müssten in einem stetig betriebenen Fusionsreaktor die wegen ihrer besonderen Hitzebeständigkeit eingesetzten Werkstoffe Grafit und Wolfram dauerhaft einem hohen Wärmefluss standhalten.

Doch welche Wirkungen diese permanente Belastung auf die Wand eines Fusionsreaktors hat, ist bislang weitgehend unerforscht. "Es besteht die Gefahr, dass die Wand durch den intensiven Neutronenbeschuss ihre Eigenschaften ändert", beschreibt Unterberg das Kernproblem.

Mit dem jetzt in Betrieb genommenen Pilotprojekt "PSI-2 Jülich" wollen er und sein Team dazu nun weltweite Pionierarbeit leisten. "Der PSI-2 simuliert gewissermaßen den Auspuff eines Fusionsreaktors", sagt Unterberg.

Dazu feuert der Plasmagenerator hellrot leuchtendes, mit dem Brennstoff Deuterium erzeugtes und bis zu 200.000 Grad heißes Plasmagas auf eine Probe des Wandmaterials. Mit ihrer Versuchsanordnung, bei der aber keine Kernfusion stattfindet, können die Physiker so selbst mikroskopisch kleine Material-Veränderungen erkennen.

Die so gewonnenen Daten sind damit ein wichtiger Baustein auf dem weiteren Weg zum praxistauglichen Fusionsreaktor. Unterberg erklärt: "Von der Beständigkeit des Materials in der Brennkammer hängen die Wartungsintervalle und damit die Wirtschaftlichkeit eines Fusionsreaktors entscheidend ab."

(DDP/csr)
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