Bei Errichtung der Klagemauer Herodes wurde offenbar von Baumeistern hintergangen

Jerusalem · Herodes der Große wurde bei einem seiner geschichtlich wichtigsten Großprojekte vermutlich von seinen Steinmetzen hintergangen: Bei der Erweiterung des Jerusalemer Tempelbergs und dem Ausbau seines zweiten Jüdischen Tempels lieferten sie immer wieder Steinquader von schlechter Qualität, wie nun israelische Wissenschaftler herausgefunden haben wollen.

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Die Folgen sind gut sichtbar. Nach der Zerstörung des Tempels durch die Römer im Jahr 70 unserer Zeitrechnung liefert heute nur noch die westliche Stützmauer des Tempelbergs architektonisches Zeugnis dieser Epoche. Die "Klagemauer" ist von Erosions-Ritzen durchzogen, in die jüdische Gläubige traditionell Zettel mit Gebeten und Fürbitten stecken: Viele der mehrere Kubikmeter großen Steinquader zeigen starke Witterungsschäden, während andere ihre 2000-jährige Geschichte unversehrt überstanden.

Wie die Tageszeitung "Haaretz" am Montag berichtete, rief dies das Interesse des Geowissenschaftlers Simon Emmanuel von der Hebräischen Universität in Jerusalem hervor. Gemeinsam mit seinem Kollegen Jael Levinson stellte er mit Laserscannern ein dreidimensionales Computermodell der Mauer her. Sie identifizierten die Quader mit den stärksten Oberflächenverlusten, verglichen ihre Struktur mit der von nahezu unbeschädigten Steinen und kamen zu dem Schluss, dass die Steine unterschiedlich große Kalkkristalle aufwiesen.

Die Steine für Herodes' Großprojekt stammten laut den Wissenschaftlern zwar aus Jerusalems direkten Umland, allerdings von verschiedenen Steinbrüchen. Erst vor zwei Jahren wurde nördlich der Stadt ein großer Steinbruch entdeckt, der offensichtlich für den Bau von Tempel und Klagemauer genutzt wurde. Da er höher liegt als die Altstadt war es leichter, die tonnenschweren Quader zur Baustelle zu schaffen.

Emmanuel nimmt an, dass den antiken Baumeistern die unterschiedliche Qualität der Steine durchaus bewusst war. "Die Lieferanten haben Herodes offensichtlich übers Ohr gehauen", folgert der Geologe. Dennoch sei die westliche Stützmauer statisch nicht gefährdet: Das ist wichtig, weil der für die Klagemauer zuständige Rabbiner Schmuel Rabinowitsch eine Schutzschicht über den Quadern aus religiösen Gründen ablehnt. Ihre Forschungsergebnisse veröffentlichten Emmanuel und Levinson in der Fachzeitschrift "Geology".

(DEU)
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