Neue Studie Neandertaler war modernem Mensch ebenbürtig

Boulder · Lange Zeit galt der Neandertaler eher als Einfaltspinsel. Doch nun bezweifeln Forscher, dass er dem modernen Menschen unterlegen war. Sie greifen frühere Studien heftig an.

 Lange Zeit galt der Neandertaler eher als Einfaltspinsel. Diese Einstellung ändert sich nun.

Lange Zeit galt der Neandertaler eher als Einfaltspinsel. Diese Einstellung ändert sich nun.

Foto: dpa, Federico Gambarini

Zwei Paläontologen rütteln an der weit verbreiteten These, der Neandertaler sei modernen Menschen unterlegen gewesen und auch deshalb ausgestorben. Nach einem genauen Blick auf frühere Untersuchungen habe der Homo sapiens keine maßgeblichen Vorteile gehabt, berichten die Forscher aus den USA und den Niederlanden im Fachmagazin "Plos One". Der modernde Mensch war vor etwa 40 000 Jahren aus Afrika in das bereits von Neandertalern besiedelte Europa eingewandert. Nach dem heutigen Wissensstand hatten die beiden Frühmenschen gelegentlich gemeinsame Kinder - noch heute sind Neandertaler-Gene beim Menschen nachweisbar. Einige Tausend Jahre später war der Neandertaler aber verschwunden.

Bisher gehen viele Wissenschaftler aufgrund von archäologischen Funden davon aus, dass Homo sapiens auf dem afrikanischen Kontinent besondere Fähigkeiten erworben hatte und seinen Vettern aus Europa überlegen war. Er soll unter anderem in einer ausgefeilteren Sprache kommuniziert und bessere Waffen sowie im Gegensatz zum Neandertaler Tierfallen genutzt haben. Außerdem seien die sogenannten modernen Menschen insgesamt innovativer und auch vernetzter gewesen.

Doch die Forscher Paola Villa von der Universität von Colorado in Boulder (USA) und Wil Roebroeks von der niederländischen Universität Leiden haben Zweifel. Sie nahmen frühere Studien genauer unter die Lupe und überprüften, ob daraus die Überlegenheit des Homo sapiens geschlussfolgert werden kann. "Wir haben keine Beweise gefunden, dass die (...) Erklärungen von fundierten archäologischen Daten gedeckt sind", schreiben die Autoren.

So seien zwar beispielsweise sowohl bei Homo sapiens als auch beim Neandertaler Malereien und Schmuck entdeckt worden. Doch nur beim modernen Menschen hätten Autoren früherer Studien von diesen Funden über Umwege auf eine komplexe Sprache geschlossen. Auch die Annahme, Neandertaler seien die schlechteren Jäger gewesen, ist laut der "PLOS ONE"-Studie nicht haltbar. Es gebe schlicht keine Beweise dafür.
Stattdessen habe auch der Neandertaler Großwild gejagt. Auch gebe es Zweifel daran, dass der Mensch innovativer gewesen sei.

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Die beiden Forscher gehen mit ihren Kollegen deshalb hart ins Gericht: Alle von ihnen geprüften Erklärungen seien "fehlerhaft". Sie basierten auf veralteten Daten und seien teilweise das Ergebnis starrer Denkweisen. Villa und Roebroeks meinen daher, das Aussterben des Neandertalers sei nicht mit einer Überlegenheit des modernen Menschen zu begründen.

Die beiden Forscher halten es für wahrscheinlicher, dass die Neandertaler im modernen Menschen aufgingen, als sie sich mit diesem paarten. Der moderne Mensch sei zahlenmäßig so überlegen gewesen, dass die Neandertaler-Gene größtenteils verdrängt worden seien.

(dpa)
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