Forschungsschiff stößt auf kostbare Knollen

Eigentlich sollte die "Sonne" Lebewesen in der Tiefsee untersuchen. Dabei stieß sie im Atlantik auf ein riesiges Feld Manganknollen.

Die Tiefsee und der Meeresboden der Ozeane faszinieren den Geologen Colin Devey seit mehr als 20 Jahren. Doch was Devey und seine Crew vor einer Woche im Atlantischen Ozean erlebten, hat selbst den erfahrenen Wissenschaftler überrascht. Zuerst glaubten die Forscher an Bord des deutschen Forschungsschiffs "Sonne", ihre netzartige Vorrichtung zum Einfangen von Lebewesen habe sich in etwa 5000 Metern Tiefe am Meeresboden verhakt. Es fiel schwer, das drei Meter lange Spezialgerät wieder zurück an Bord des Schiffes ziehen.

Doch schließlich gelang es. "Die Spannung auf dem Achterdeck war förmlich greifbar", heißt es im Blog zur siebenwöchigen Expeditionsreise. Der Grund für den erhöhten Widerstand des Schlittens waren nicht etwa Plankton, Krebse oder Meeresasseln, sondern schwarze und rostbraune Kugeln in der Größe von Golfbällen oder Kegelkugeln: Manganknollen. "Ich habe so etwas im Atlantik noch nicht gesehen", sagt Colin Devey vom Kieler Zentrum für Ozeanforschung "Geomar".

Per Zufall hat die deutsche Forschungsmission bei der Suche nach Tiefsee-Lebewesen das bisher größte bekannte Feld mit Manganknollen im Atlantik entdeckt. Die Kugeln enthalten wertvolle Metalle: Mangan, Kupfer, Eisen, Cobalt, Zink, Nickel, Titan, Vanadium und seltene Erden. Bisher sind diese sonderbaren Wertstoffdepots in größeren Mengen auf dem Boden des Pazifik gefunden worden. Aber die Fotos, die das Spezialgerät der "Sonne" aufgenommen hat, beweisen, dass sie auch im Atlantik vorkommen. Die Bilder zeigen Knollen dicht an dicht. Könnte man diese Rohstoffe abbauen, stillten sie den Bedarf an den seltenen Metallen wohl für den Rest des Jahrhunderts. Doch noch ist der Aufwand dafür zu groß.

"Mit Wachstumsraten zwischen einem und fünf Millimetern in einer Million Jahre könnten einige der Knollen über 10 Millionen Jahre alt sein", erklärt Colin Devey. Sie entstehen ähnlich wie Perlen: um einen Kristallisationskeim lagern sich langsam schichtweise die Metalle ab. Das genaue Alter und die Zusammensetzung werden nun in chemischen Labors analysiert.

Kurioserweise sollte sich die "Sonne" in diesem Jahr ohnehin noch um Manganknollen kümmern. Dazu ist eine Reise in den Pazifik geplant. Dabei soll die Rolle der Manganknollen für die Ökosysteme am Meeresboden und die Umweltrisiken bei einem möglichen Abbau untersucht werden. Die kanadische Firma Nautilus Minerals hat bereits einen kommerziellen Tiefseeroboter vorgestellt, der die Rohstoffe sammeln soll. Auch Deutschland hat vor ein paar Jahren eine Erkundungslizenz im Pazifik erworben, die von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe betrieben wird. Solche Vorhaben weiter als 200 Meilen von der Küste entfernt müssen von der Internationalen Meeresbodenbehörde auf Jamaika genehmigt werden. Sie verwaltet die Bodenschätze, die als Erbe der Menschheit zu sehen sind.

Die Überraschung dürfte nicht die letzte bleiben. "Diese Entdeckung zeigt, wie wenig wir die Meeresböden der Tiefsee kennen und wie viel spannende Erkenntnisse noch auf uns warten", meint Angelika Brandt von der Universität Hamburg. Anlässlich der Suche mit Tiefsee-Robotern nach dem verschwundenen Flugzeug MH 370 im Indischen Ozean vor der australischen Küste brachte der Geophysiker Walter Smith die Situation der Meeresforscher auf einen simplen Satz: "Wir kennen die Oberflächenstruktur von Mond, Mars und Venus besser als den Meeresboden."

Auch die Mission der "Sonne" wird wieder etwas mehr Wissen über den Meeresboden liefern. Sensoren am Schiff und das Tiefsee-U-Boot Abyss erstellen präzise Karten von der Tiefsee. Das Forscherteam interessiert sich vor allem für den mittelatlantischen Rücken. "Er markiert seit über 100 Millionen Jahren die Grenze zwischen Afrika und Amerika, dort steigt kontinuierlich heißes Material aus dem Erdinneren auf", erklärt Colin Devey. Erste Fotos aus 5730 Metern Tiefe zeigen Oberflächenstrukturen, die starke Strömungen in der Tiefsee vermuten lassen.

Die Biologen an Bord der "Sonne" interessieren sich vor allem für die Lebewesen der Tiefsee. Die extremen Bedingungen erzwingen ganz andere Regeln und Nahrungskreisläufe als in den oberen Regionen des Meeres, wo Sonnenlicht noch eine Rolle spielt. Die ersten Proben der Reise wurden noch an Bord der "Sonne" ausgewertet.

(RP)
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