Algen Was ist dran an dem Gemüse aus dem Meer?

Besonders bei Strandurlaubern genießen Algen keinen guten Ruf. Köche allerdings wissen sie wegen ihrem ungewöhnlichen Geschmack durchaus zu schätzen. Und gesund sind die Meerespflanzen ohnehin.

Algen - Kochen mit dem Gemüse aus dem Meer
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Beim Wow-Effekt liegt die Braunalge ganz weit vorne. Das muss sie auch, denn wirklich appetitlich sieht der Zuckertang (Saccharina latissima oder Laminaria saccharina) im rohen Zustand nicht aus. Aber kaum kommt die Alge mit kochendem Wasser in Kontakt, wird sie zu einem knallgrünen Star. "Die braune Farbe löst sich, das Chlorophyll bleibt" erklärt Klaus Lüning. Der emeritierte Professor für Meeresbiologie hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Alge kulinarisch in Deutschland voranzubringen. In List auf Sylt kultivierte er zum Beispiel die Braunalge Laminaria in Meerwassertanks. Er arbeitet auch mit Gastronomen zusammen. "Viele Köche mögen die Braunalge, weil sie gerade an der Küste zur Küche passt und sie immer noch etwas Besonderes ist."

Exotik mögen Gourmets, meist auf der Jagd nach einem neuen Geschmack. Die Köche verwenden die Alge bei Fischgerichten, bereiten aus ihr aber auch Salate zu. Feinschmecker schätzen es, "wenn sie mal eine vernünftige Alge" - so Lüning - zwischen die Zähne bekommen. Ihre Konsistenz ähnele der von chinesischen Pilzen. "Sie sind gut zu zerbeißen und weder schleimig noch gummiartig", lobt der Algen-Freund. Man könne sie braten, dünsten oder zum Beispiel mit Hackfleisch füllen. Dann wird aus der klassischen Kohl-Roulade eine Algen-Roulade.

 Algensalat ist eine beliebte Delikatesse der japanischen Küche.

Algensalat ist eine beliebte Delikatesse der japanischen Küche.

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Der Geschmack ist eher neutral, dafür sind die Salzwasserpflanzen wahre Kraftpakete, was Mineral- und Ballaststoffe sowie Vitamine angeht. So enthalten sie etwa Magnesium, Kalium und Kalzium. Nur einen Nachteil gibt es: der hohe Jodgehalt, der die Pflanzen vor Fressfeinden schützt. "Braunalgen enthalten in einem Kilo Trockengewicht zwischen drei bis fünf Gramm Jod", sagt Lüning. Die empfohlene Tageshöchstdosis liegt allerdings nur bei 0,5 Milligramm pro Tag (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) oder einem Milligramm pro Tag (Internationale Weltgesundheitsorganisation WHO). Aber auch da hilft der Wow-Effekt beim Kochen: Nach zwei Minuten sind zwei Drittel des enthaltenen Jods abgebaut und ausgekocht. Da Lüning die Algen in Tanks anbaut, enthalten sie von Natur aus weniger Jod.

Das Meeresgemüse ist eine unterschätzte Pflanze, nur wenige mögen Algen. Sie gelten als schleimig, bringen Gärtner als wuchernde Ungetüme im Teich zur Verzweiflung oder mindern den Badespaß am Strand. Dabei stecken sie schon in vielen Alltagsprodukten - etwa in Form von Carrageen. Es bindet Puddings, Eiscremes und Joghurts und stabilisiert Frischkäse, Margarine und Zahnpasta.

Menschen, die gerne Fisch essen, sollten besonders darüber nachdenken, ob sie Algen nicht öfter auf den Speisezettel nehmen - aus ökologischen Gründen. Denn der meiste Fisch heutzutage wird in Aquakulturen gezüchtet, und die Braunalgen sind dafür ein Segen: Sie helfen, das Meer nahe solcher Zuchtanlagen in Balance zu halten. "In den Fischkäfigen entstehen enorm viele Stickstoffe und Phosphate - die klassische Überdüngung der Meere und das Wachstum von Mikroalgen sind die Folge", erklärt der Biologe. Deshalb bauen Fischfarmer den Zuckertang an. Sie versenken bis zu 30 Kilometer lange Seile neben den Käfigen im Meer, die Braunalgen finden optimale Bedingungen vor. Sie werden mit etwa drei Metern Länge geerntet.

Die Braunalge lässt sich besonders gut züchten, da sie sehr schnell wächst. Sie benötigt kaltes Wasser und kommt von Grönland bis Portugal vor. Spätestens im Mai sollte sie geerntet werden. Wenn nicht, haben sich auf ihr schon kleine Wasserbewohner angesiedelt, die eine Verwendung in der Küche unmöglich machen. Ein Kilo Frischalgen oder 100 Gramm Trockenalgen kosten etwa zehn Euro,

Andere Länder sind beim Algenkonsum schon weiter als die Deutschen. Hierzulande ist Laminaria saccharina seit 2002 als Lebensmittel zugelassen. Der größte Algen-Markt liegt in Asien. "Meeresalgen zu essen, ist ja nichts Neues", sagt Lüning, "wer gerne Sushi isst, kennt von der Maki-Rolle die Rotalge Nori." Davon produzieren Korea, Japan und China jährlich eine Million Tonnen. Aber auch Europäer schätzen Algen: Die Waliser essen "laverbread" und sehen es als Delikatesse an. Dafür wird Seegras geerntet, sorgfältig gewaschen und dann gehackt. Aus der Masse wird eine dicke Paste, die mit Würstchen, Speck und Pilzen ein Frühstück voller Energie liefert.

Lüning glaubt aber an den kulinarischen Durchbruch des Zuckertangs. "Das schlechte Image der Alge ist doch ein alter Hut. Die Leute wissen längst, dass die Unterwasserwelt des Meeres kein grüner Matsch ist, sondern ein faszinierendes Ökosystem mit Wäldern und Wiesen." Und vielleicht liegt künftig öfter mal das Gemüse des Meeres auf deutschen Tellern.

(RP)
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