DNA-Analyse Gentest aus dem Internet

Düsseldorf · Ein US-Unternehmen bietet Analysen für 160 Euro an. Die Ergebnisse können Hinweise auf Krankheiten geben, müssen es aber nicht.

DNA-Analyse: Gentest aus dem Internet
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Der Gentest für Jedermann wird salonfähig. Die Aufsichtsbehörden in den USA wollen DNA-Analysen zulassen, die Interessierte ohne Beteiligung eines Arztes einfach im Internet kaufen können. Der vermeintliche Blick in die Zukunft kostet bei der Firma 23andme nur 199 US-Dollar (etwa 160 Euro). Dafür bekommt der Kunde eine genetische Analyse seines Risikos für zehn Krankheiten. Einige davon sind sehr selten, aber 23andme verspricht auch Informationen darüber, ob ein Mensch wegen seines Erbguts besonders anfällig für Parkinson oder Alzheimer ist. Es ist der erste medizinische Gentest, der ohne Arzt direkt an den Kunden verkauft werden darf.

Der Test könnte einfacher nicht sein: 23andme schickt nach der Bestellung im Internet lediglich ein Wattestäbchen, mit dem der Kunde eine Speichelprobe und Zellen der Mundschleimhaut entnehmen kann. Zudem enthält das Päckchen noch Informationsmaterial und die Verpackung für die Rücksendung des Stäbchens zum Labor in Kalifornien. Nach ein paar Wochen bekommt der Kunde dann wieder Post oder eine E-Mail: ein Brief mit dem Analyseergebnis, begleitet von Erläuterungen und Handlungsempfehlungen. Die Auswirkungen des Schreibens können gravierend sein. 23andme bewertet für seine Kunden, wie hoch deren Risiko für eine bestimmte Erkrankung ist.

In Deutschland ist diese Variante durch das Gendiagnostikgesetz verboten. Vor einem Gentest zu medizinischen Zwecken muss ein spezialisierter Arzt den Patienten beraten. 23andme blockiert deshalb den direkten Verkauf seines Produkts, wenn die Anfrage nicht aus den USA oder Großbritannien stammt. Hierzulande dienen Gentests meistens zur Absicherung einer Diagnose und zur Wahl einer Therapie. Oder sie werden von Angehörigen beauftragt, die mehr über ihr Risiko wissen wollen, nachdem jemand anders aus der Familie schwer erkrankt ist. Der vorausschauende Blick ins Erbgut ohne konkreten Anlass, wie ihn 23andme anbietet, stellt in Deutschland bisher noch die Ausnahme dar. Aber es gibt bereits Labors, die den kompletten Service inklusive Beratung meist sehr teuer anbieten.

Aber der Gentest aus dem Internet könnte diese Praxis verändern. Denn der Auftrag für eine DNA-Analyse ist für viele Menschen eine Kombination aus Neugierde und einer weitverbreiteten Angst - nämlich die Suche nach einer Antwort auf die Frage, ob der Betroffene mit schweren Krankheiten wie Krebs, Herz-Kreislaufleiden, Alzheimer oder Parkinson rechnen muss. Denkbar, dass deshalb Verkaufsverbote im Internet ausgetrickst werden. Und das Angebot an Gentests wird in den USA rasant wachsen, denn die US-Arzneimittelbehörde hat schon Anfang November vergangenen Jahres eine Änderung ihrer Genehmigungspraxis angekündigt: In Zukunft soll nicht mehr jeder einzelne Test überprüft werden. Stattdessen werden die Firmen quasi generell als Anbieter für Gentests zertifiziert und sind dann frei in der Erstellung ihrer Produkte.

Was derzeit in Deutschland als Gentest frei verfügbar auf dem Markt erhältlich ist, ist meist belanglos oder bestenfalls lustig. Sehr beliebt sind Tests, die Auskunft über europäische, afrikanische oder asiatische Einflüsse auf die eigenen Vorfahren geben. Andere Tests machen Vorschläge, welche Sportart am besten zur eigenen DNA passt. Selbst für die Partnersuche werden Gentests angeboten. So soll die genetische Kompatibilität zweier Menschen ein Garant für eine langfristige Beziehung sein. Viele dieser Tests sind unseriös, weil die Zusammenhänge zwischen Erbgut und der gewünschten Aussage nur unzureichend untersucht sind.

Mit dem Angebot von 23andme erhält das Resultat eines Gentests einen ernsthaften Charakter. Dabei bleibt die Aussagefähigkeit des Ergebnisses vage: Denn diese medizinischen Gentests haben noch immer Schwächen. So untersucht 23andme bei Alzheimer die Veränderungen am Gen ApoE4, die viele Patienten haben. Doch gleichzeitig gibt es auch Menschen, die trotz dieser Mutation im Genom kein Alzheimer entwickeln. In anderen Fällen ist der untersuchte Bereich im Erbgut schlicht zu schmal. Für die Entwicklung von Parkinson testet 23andme beispielsweise nur eine sehr kleine Zahl von Genen, von denen man zwar weiß, dass sie mit der Erkrankung in Verbindung stehen. Aber es gibt noch viel mehr Gene, die vermutlich an der Entstehung von Parkinson beteiligt sind. Wer also durch den Test erfährt, dass er kein erhöhtes Parkinson-Risiko hat, darf sich keineswegs sicher wähnen, weil der Test nicht alle relevanten Gene umfasst. Hinter komplexen Erkrankungen stehen häufig mehrere genetische Muster. Die US-Firma verschweigt diese Probleme nicht - fraglich ist nur, ob ihre Kunden das alles verstehen.

Doch selbst, wenn diese Probleme nach einer Übergangsphase gelöst sind, sollten die Anwender eines Gentests wenigstens zwei Faustregeln kennen: Zum einen kann man auch trotz eines genetischen Risikos für eine Krankheit gesund bleiben. Zum anderen kann man auch ohne Vorbelastung im Erbgut erkranken. Trotzdem sehen alle Experten gewaltige Wachstumsraten im Markt für den Verkauf von medizinischen Gentests über das Internet direkt an die Kunden. Sie rechnen damit, dass viele Menschen den Service allein aus Neugierde nutzen werden, wenn der Preis stimmt. Vielleicht muss jeder selbst entscheiden, was er wissen will.

(rai)
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