Grandios: Béla Bartóks Streichquartette

Klassik Wer sich die Neuaufnahme der sechs Streichquartette von Béla Bartók mit dem großartigen Heath Quartet besorgt, wird beim Betrachten des Covers in tiefes Nachdenken fallen - oder sich überhaupt nichts dabei denken. Die Wahrheit ist diese: Wir sehen allerdings ein Fake aus der hohen Welt der Malerei. Von Kasimir Malewitsch, den wegweisenden Maler, gibt es ein recht bekanntes Gemälde mit dem unauffälligen Titel "Landschaft mit fünf Häusern".

Klassik Wer sich die Neuaufnahme der sechs Streichquartette von Béla Bartók mit dem großartigen Heath Quartet besorgt, wird beim Betrachten des Covers in tiefes Nachdenken fallen - oder sich überhaupt nichts dabei denken. Die Wahrheit ist diese: Wir sehen allerdings ein Fake aus der hohen Welt der Malerei. Von Kasimir Malewitsch, den wegweisenden Maler, gibt es ein recht bekanntes Gemälde mit dem unauffälligen Titel "Landschaft mit fünf Häusern".

Für die Titeloptik hat der Grafiker das Original bearbeitet und einfach das fünfte Häuschen rechts wegretuschiert. Durften die das? Unsere Sorge ist das nicht, die Idee ist ja witzig. Das Bild gilt als Kernwerk des Suprematismus, den Malewitsch in der Kunst installierte. Doch ohne Augen und ohne Fenster sind die vier Musiker des Ensembles nicht, im Gegenteil. Wir erleben ein ungemein waches, hellsichtiges, tiefenscharfes und bohrendes Musizieren.

Die vier Musiker Oliver Heath und Cerys Jones (Violinen), Gary Pomeroy (Viola) und Christopher Murray (Violoncello) machen sich die Arbeit schwer, sie gehen nicht den einfachen Weg, sondern begeben sich in die Welt der interpretatorischen Verstrickungen. Es ist ja auch nicht etwa irgendein Zyklus der modernen Musik, sondern ein Monument der Kammermusik, wie es im 20. Jahrhundert kaum ein zweites gegeben hat. Diese sechs Werke begeben sich in Extrempositionen des Ausdrucks, der Spielmöglichkeiten, der Ästhetik.

Sie umspannen einen Zeitraum von knapp dreißig Jahren, beginnend mit Bartóks früher Beschäftigung mit der Musik von Richard Wagner und Claude Debussy; auch Schönbergs "Verklärte Nacht" schimmert durch. Die späteren Werke (bis hin zum Quartett Nr. 6 aus dem Jahr 1941) werden radikaler, auch freier in der Form, es gibt Ausflüge in die schroffe Sprache des Expressionismus. Es gibt neue Sprachlichkeiten, Zonen des Wisperns und Flüstern, dann aber auch schrundige Abgründe und schroffe Kanten.

Spieltechnisch wird den Musikern Höchstes abverlangt - und umso mehr muss man die Aufnahme des Heath Quartets bestaunen, die sich ohne Probleme in allerbeste Quartett-Gesellschaft begibt. Wolfram Goertz

(RP)
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