Ein Rechtschreibexperte schlägt Alarm hdgdl ♥ - D *-* - alles deutsch oder was?

Düsseldorf · Die Jugend von heute kommuniziert anders. Alles geht schneller. Twitter, SMS, Facebook und das auch noch gleichzeitig. Grammatik und Rechtschreibung – egal. Abkürzungen wie "HDL", Symbol-Icons, neue Wörter - ihre Sprache wirkt auf Erwachsene kryptisch. Der Chef des deutschen Rechtschreibrates, Hans Zehetmair, spricht von "Fetzenliteratur" und sieht die Sprachkompetenz einer ganzer Generationen gefährdet.

 Für viele Jugendliche sind elektronische Medien heute unverzichtbar.

Für viele Jugendliche sind elektronische Medien heute unverzichtbar.

Foto: dpa

Die Jugend von heute kommuniziert anders. Alles geht schneller. Twitter, SMS, Facebook und das auch noch gleichzeitig. Grammatik und Rechtschreibung — egal. Abkürzungen wie "HDL", Symbol-Icons, neue Wörter - ihre Sprache wirkt auf Erwachsene kryptisch. Der Chef des deutschen Rechtschreibrates, Hans Zehetmair, spricht von "Fetzenliteratur" und sieht die Sprachkompetenz einer ganzer Generationen gefährdet.

Die Kurz-Mitteilungen einer jungen Generation auf Twitter oder in SMS haben mit literarischer Hochkultur ganz offensichtlich nichts zu tun. Die Sprache verändert sich. Von Tag zu Tag, von Stunde zu Stunde. Sternchen, Icons, Abkürzungen sind in den Botschaften allgegenwärtig. Alle Regeln aus dem Duden sind hinfällig. Wer mal seinen Kindern beim Chatten über die Schulter geschaut hat, kennt das.

Ein Blitzbesuch bei Twitter unter dem Suchbegriff "hdl" zeigt, was gemeint ist. "KNUUUUTSCHAAA ja ja, das kenn ich", schreibt da ein Mädchen. "ich hase abkürzungen.... bb.... hdl .... oder ähnliches :/", twittert es an anderer Stelle. "nachtiii hase! So geilo!! Knaller abend! LOL bis später! HDL", liest man. Eltern und Verfechtern der deutschen Sprachkultur bereitet das Sorgen.

"Fetzenliteratur"

Kann jemand, der so im Internet schreibt, später mal ein formal korrektes Bewerbungsschreiben aufsetzen, geschweige denn einen sinnvoll strukturierten Bericht mit ganzen Sätzen verfassen? Nach Ansicht des Rechtschreibrats-Vorsitzenden Hans Zehetmair bedroht die Entwicklung die Sprachkompetenz junger Leute. "Eine junge Generation schreibt heute - um eine Liebe zum Ausdruck zu bringen - keine Briefe mehr, sondern "HDL" - "Hab Dich lieb"", bemängelte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa in München.

"Unsere Zeit ist so schnelllebig geworden. Da müssen Sie sich nur die Twitter-Literatur ansehen, in der es keine ganzen Sätze mehr gibt." "Fetzenliteratur" nennt Zehetmair, der auch Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung in München ist, das. "Wir sind weltweit in zivilisatorischen Gesellschaften auf dem gefährlichen Weg, dass immer weniger gelesen, immer mehr Fetzenliteratur gepflegt, immer weniger geschrieben wird", sagt er.

"15 bis 20 Prozent Analphabeten"

Auch die Schule komme ihrem Bildungsauftrag in dem Bereich nur begrenzt nach. "Die Lehrer sind auch Kinder unserer Zeit und - bei allem guten Bemühen - gibt es auch bei ihnen oft diese Fetzenliteratur: super, geil und alles mit Ausrufezeichen." Hochschullehrer beklagten immer wieder die mangelhafte sprachliche Qualität von Diplom-, Magister- oder Bachelorarbeiten. "Man nimmt sich kaum noch die Zeit, ganze Sätze zu formulieren." Nach Angaben von Linguisten müssten rund 20 Prozent der 15-Jährigen heute als Analphabeten bezeichnet werden, sagte Zehetmair.

Eine Schwierigkeit sei auch die steigende Zahl an Anglizismen, die die deutsche Sprache überflute. "Sprache ist in vielen Bereichen ausschließlich verzweckt worden und ist überbordet mit Fremdeinflüssen. Ich bin nicht gegen Anglizismen im Allgemeinen, aber man sollte schon noch wissen, was die Worte auf Deutsch heißen." Das fehlende Hinterfragen sei aber "symptomatisch für eine Gesellschaft, die nicht mehr hinter die Dinge blickt und die Hintergründe nicht mehr beleuchtet", sagte Zehetmair und warnte: "Eine solche Gesellschaft ist anfällig für Manipulation."

"Viso nur?"

Zehetmair spricht für eine ältere Generation. Der CSU-Politiker zählt inzwischen 75 Jahre. Bei Twitter löst seine Besorgnis Spott aus. "Viso nur", fragt ein User ironisch. Den meisten scheint es egal zu sein, was der ehemalige bayerische Wissenschaftsminister da von sich gibt.

Seinen Aussagen stehen auch im Widerspruch zu anderen Ergebnissen aus der Sprach-Wissenschaft. Bereits Anfang 2011 untersuchte die Germanistik-Professorin Christa Dürscheid den Zusammenhang von Rechtschreibfehlern und Neuen Medien.

Was verursachen neue Medien?

Sie verglich dazu systematisch rund 1000 Aufsätze von Schülern mit deren Mitteilungen bei Twitter, Facebook, SMS oder ähnlichen Kanälen. Dabei nahm ihr Team Rechtschreibung, Interpunktion und Grammatik, aber Wortschatz und Stil unter die Lupe.

Der Befund fiel eindeutig aus: Die Jugendlichen trennten klar zwischen Netz-Sprache und Standardsprache. Davon, dass die Nutzung der Neuen Medien die Sprachkompetenzen beschädigt hätte, konnte keine Rede sein. Freilich blieb ein anderer Trend unverkennbar: Die Zahl der Fehler hat in den vergangenen Jahren unübersehbar zugenommen.

Dafür machen Experten aber einen ganzen Mix an Faktoren verantwortlich. Dazu zählen neben einer wachsenden Flut an Reizen auch soziale Faktoren. Demnach hat sich gerade bei Schülern aus der Unterschicht die Sprachkompetenz dramatisch verschlechtert.

mit Material von dpa

(pst)
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