Heimische Varianten zur Sojabohne

Die Rheinische Ackerbohne hat das Zeug zum Tausendsassa - glauben zumindest die Kremers aus Linnich. Die Landwirte wollen die Bohne als Alternative zu Soja aufbauen. Dass es mit heimischen Pflanzen gelingen kann, zeigt der Erfolg der Lupine.

Es geschah am Frühstückstisch, auf dem Höhepunkt der Diskussionen um die umstrittenen Freihandelsabkommen TTIP und Ceta im vergangenen Sommer. "Es ist doch verrückt", sagte Karl-Adolf Kremer damals zu seiner Frau Maria auf ihrem gemeinsamen Hof Lindenau in Linnich-Kofferen. "Da wird einerseits tonnenweise gentechnisch verändertes Soja importiert - und auf der anderen Seite gibt es hier eine heimische Eiweißpflanze, die völlig unterbewertet ist. Man müsste da doch mal was tun."

Und die Kremers taten was, beließen es nicht bei frommen Worten. Sie riefen Anfang Januar einen Verein ins Leben, der sich der Aufgabe widmet, die Pflanze, die sie damals am Frühstückstisch bereits vor Augen hatten, im Bewusstsein der Verbraucher zu verankern: die Ackerbohne, wahlweise auch Sau-, Fava- oder Dicke Bohne genannt. Sie holten sich zahlreiche Partner und Unterstützer mit ins Boot - Legehennenbetriebe, Milchhöfe, Bäckereien und Imker aus ganz NRW, aber auch die Raiffeisen-Waren-Genossenschaft Willich, das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz und die Landwirtschaftskammer. Und pflanzten, um mit gutem Beispiel voranzugehen, auf einem sieben Hektar großen Feld Ackerbohnen an.

Die Vorzüge der Ackerbohne können die Kremers im Schlaf herunterbeten. "Es ist ein regionales Produkt, das regional verarbeitet und regional vermarket wird", sagt Maria Kremer. "Das entspricht doch dem Zeitgeist, dass die Wertschöpfung in der Region bleibt." Der Pflanzenschutzaufwand sei sehr gering, es gebe keine Nitratauswaschung, und die Pflanzen blühten für volle zwei Monate sowie zu einer Zeit, zu der wenig anderes blüht - gut für Bienen, Hummeln & Co. Zahlreiche Kühe und Hühner, von Hückelhoven bis Remscheid, würden bereits mit den gentechnikfreien Ackerbohnen ernährt, "aber auch für die Humanernährung sind sie perfekt geeignet", sagt Karl-Adolf Kremer. Auch wenn das seit dem Krieg vielerorts etwas in Vergessenheit geraten sein mag.

Die ersten konkreten Früchte der gemeinsamen Anstrengungen kann der Verein "Rheinische Ackerbohne" (www.rheinische-ackerbohne.de) ab sofort aufzeigen: Als Pilotprojekt geht bei der Kelzenberger Bäckerei in Mönchengladbach heute erstmals das Ackerbohnen-Mischbrot "Ackbo" aus 60 Prozent Dinkel und 40 Prozent Ackerbohnen über den Tresen. Der erst 21-jährige Bäckermeister Benedikt Andler hat die Rezeptur ausgetüftelt.

Doch die Ackerbohne ist nicht die einzige Frucht, die neue Aufmerksamkeit erregt. Auch die Süßlupine wird als aussichtsreiche, heimische Konkurrentin zur Sojabohne gesehen. "Soja des Nordens" wird sie bereits genannt und gedeiht besonders gut auf sandigen, nährstoffarmen Böden. Wie die Ackerbohne ist auch die Süßlupine gegenüber der Sojabohne bei der CO2-Bilanz im Vorteil. Da sie in Deutschland gut wächst, fallen weite Transportwege weg.

In Mittelmeerländern liebt man eingelegte Lupinensamen als Snack in Bars zu einem Glas Bier. Hier zu Lande war sie aber lange dem Vieh vorbehalten, weil sie für den menschlichen Gaumen viel zu bitter schmeckte. Dann wurden Sorten mit weniger Bitterstoffen gezüchtet. Und dann gelang es Forschern des Fraunhofer-Instituts für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) im bayerischen Freising, ein Verfahren zu entwickeln, das das Eiweiß der Pflanze isoliert und von den vorhandenen Bitterstoffen trennt. Dafür gab es 2014 den Deutschen Zukunftspreis. Die Prolupin GmbH, ein Spin-Off des Fraunhofer Instituts, setzt die Forschungsergebnisse in marktreife Produkte um. Unter der Marke "Made with luve" werden unter anderem Eis, Drinks, Nudeln, Aufstriche oder Joghurt auf Lupinenbasis vermarktet. Sie überzeugten "durch einen guten Geschmack und ein angenehmes Mundgefühl" und kämen ihren Vorbildern, den herkömmlichen Milchprodukten, besonders nahe, wirbt das Unternehmen.

Es ist die Renaissance einer uralten Kulturpflanze: Schon die Ägypter gaben ihren Pharaonen Lupinensamen mit ins Grab. Die Früchte sind äußerst eiweißreich und ähneln in ihrer stofflichen Zusammensetzung der Sojabohne. Zudem enthalten sie alle wesentlichen Aminosäuren, sind mit einem Fettgehalt von vier bis sieben Prozent vergleichsweise fettarm und haben weniger Allergiepotenzial als Soja. Lupinen sind aktose-, cholesterin- und glutenfrei und eine gute Quelle für Mineralstoffe und Kohlenhydrate. Erdnuss-Allergiker sollten sie allerdings meiden, denn es kann zu Kreuzallergien kommen.

Martina Kittler, Autorin eines Kochbuchs mit Rezepten rund um Lupinen, schwört auf Lupinenfilet, das sie während einer Diät als Fleischersatz entdeckt hat. "Vorher kannte ich nur Tofu, der zumindest mich nicht immer geschmacklich überzeugt", erklärt sie. Das Lupinenfilet schmecke würzig und lasse sich unkompliziert zubereiten. Das pflanzliche Produkt ähnele in Farbe und Konsistenz magerem Fleisch. Es wird aus Süßlupinensamen, Weizeneiweiß und verschiedenen Gewürzen, Gemüsen sowie Kräutern hergestellt. Es besteht zu 40 Prozent aus Lupinensamen und ist reich an ungesättigten Fettsäuren und Mineralstoffen wie Kalzium, Eisen, Magnesium oder Phosphor. Es enthält kein Cholesterin.

Und der Fleischersatz hört sich schick an: Was gibt es heute? Lupinenfilet!

(RP)
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