Karl der Große

Karl Lagerfeld ist schon längst selbst zur Ikone geworden. Seine Bilder, Skizzen, Entwürfe und Modelle zeigt nun die Bundeskunsthalle in Bonn. Es ist die erste Werkschau des deutschen Designers.

Wer in eines seiner Ateliers kommt, sieht, dass alles, was er sich ausdenkt, direkt aufs Papier wandert - blütenweiß, unberührt, voller Möglichkeiten. "Ich muss immer Papier unter meinen Händen spüren, damit ich mich ausdrücken kann", sagt Karl Lagerfeld.

"In Paris hat er vier Schreibtische in seinem Apartment, und sie alle sind voll mit Papieren, Büchern und Stoffen. Jeder wird für ein anderes Projekt genutzt, für eine andere Kollektion", betont Lady Amanda Harlech, seine Beraterin und Langzeit-Muse. Und weil die Kuratoren die Idee hatten, das komplette Schaffen eines der weltweit renommiertesten Modedesigner von der Entwurfsskizze bis zum fertigen Kleidungsstück zu zeigen, beginnt die 126 Kleider, zahlreiche Accessoires und Skizzen umfassende Retrospektive in der Bundeskunsthalle eben am Schreibtisch voll mit unbeschriebenen Blättern. Drum herum liegen Magazine, Bildbände und Biografien.

Gleichsam als Rundgang durch Lagerfelds Modekosmos spannt die Schau einen Bogen von den ersten Schritten als Modemacher vor 60 Jahren in Paris bis heute. Sie erzählt so über die reine Huldigung hinaus auch ein Stück Modegeschichte.

"Wir zeigen nicht das Phänomen Lagerfeld, sondern seine Modemethode", sagt Intendant Rein Wolfs. Er betont, dass natürlich auch Mode in der Bundeskunsthalle einen Platz haben dürfe, ja sogar müsse. Wichtig sei jedoch, dass es dabei nicht um das Phänomen Karl Lagerfeld gehe.

Der Blick ist vielmehr auf das gerichtet, was den Ruhm des gebürtigen Hamburgers einst begründete: sein Schaffen als Designer. Denn hinter der Marke Lagerfeld (er nennt sich selbst inzwischen Logofeld) steht ein maßgeschneidertes System: Vom Entwurf bis zur perfekten Schau, von den Accessoires bis zur Kulisse, von den Fotos für die Werbung bis zu den Schaufensterdekorationen stammt jedes Detail aus der Hand des Designers selbst. Besonders deutlich werde das am Beispiel von Chanel, so die Ausstellungsmacher, und das sollen die Besucher auch in Bonn erleben.

Neonfarben leuchtet an der Wand ein Lagerfeld-Zitat: "I like fashion to be part of daily life." Die Mode auf die Straße zu bringen, sie tragbar zu machen, war und ist sein Ziel. Um das zu unterstreichen, hat Georg Steidl den ersten Teil der Ausstellung äußerst nüchtern gestaltet. Steidl verlegt Lagerfelds Bücher. Er hat Wände, die aussehen wie Rohbeton, zum Teil bekritzelt oder mit Werbeplakaten beklebt. Es könnte ein U-Bahn-Schacht sein oder eine Parkgarage. Auf transparenten Puppen, die einen Blick ins Innenleben der Kleider gewähren, sind Lagerfelds Kollektionen für vier Modehäuser weitgehend chronologisch angeordnet: Fendi, Chloé, Chanel und das nach ihm benannte Label.

Das erste Modell, das Besucher sehen, gehört jedoch in keine dieser Kollektionen. Es ist ein Merinowollmantel in Gelb mit Rückendekolleté und Gürtelverschluss am Kragen. Damit gewann der junge Mann 1954 noch vor seinem späteren Konkurrenten Yves Saint Laurent den "International Woolmark Prize". Für den nach eigenen wechselnden Angaben 1938 oder 1935, wahrscheinlich aber 1933 geborenen Kreativen war das die Eintrittskarte in die Modewelt. "Wir haben den Mantel aufwendig nachschneidern lassen", erklärt Wolfs.

So unsicher sein genaues Alter, so sicher ist, dass Lagerfeld zu den größten Modedesignern der Welt gehört und ein großes Kapitel der Modegeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts geschrieben hat und immer noch schreibt. Dem legendären Mantel folgt Mode, die das Ausnahmetalent für die bekanntesten Modehäuser entwarf - von Haute Couture bis zu den "tragbaren" Prêt-à-porter-Kollektionen.

Bei allem, was er unermüdlich produziert, ist (neben der Liebe zum Papier) seine Besessenheit für Stoffe Teil des Erfolges. Er experimentiert und erfindet das Material immer wieder neu. So modernisierte er für Fendi die Pelzmode, zerschnitt sie, färbte sie. Sein eigenes Label ist streng, androgyn die Schnitte, dunkel die Töne. Für Chloé zieht der Hanseat seinen romantischen, verspielten Trumpf. Und dann kommt Chanel, die ikonische französische Modemarke mitsamt ihrem Tweed - verarbeitet im klassischen Kostüm. Lagerfeld sicherte sich schnell den Ruf als einziger legitimer Nachfolger von Coco Chanel, denn er hielt den Esprit ihres Stils lebendig und gleichzeitig schaffte er es, die Marke rundum zu modernisieren. 62 Looks zeigen die unendlichen Variationen, die dem Modemacher eingefallen sind. Mal bestickt er den Tweed, mal scheint er sich zum Rocksaum hin aufzulösen, mal zerschneidet er ihn oder verleiht ihm eine federleichte Anmutung.

Der zweite Teil der Ausstellung entführt in die Haute Couture und in einen zauberhaften Papier-Palast. Das Künstlertrio Wanda Barcelona ist verantwortlich für die Traumwelt aus Papierschnipseln - weiß, unbedruckt, geradeso wie frisch aus Lagerfelds Skizzenblock. Unter diesem Himmel finden sich opulente Kreationen seiner Chanel-Schauen. Und das Spiel mit dem Stoff wird auf die Spitze getrieben - von der roséfarbenen Feder-Robe, in der Nicole Kidman einst aufgetreten ist, bis zum krönenden Finale: Mit seiner langen, goldbestickten Schleppe sieht es aus wie das Gewand einer Königin. Doch die Braut ist schwanger und das Hochzeitskleid aus Neopren.

Wie bei keinem anderen Modemacher spiegelten Karl Lagerfelds Kollektionen das Lebensgefühl und die Strömungen der jeweiligen Zeit wider, sagt Rein Wolfs, der Intendant des Museums.

Und weil Design und Mode als kulturelle Techniken eine bedeutende Rolle spielten, sei es längst überfällig, Karl Lagerfeld eine eigene Ausstellung zu widmen. Und den Anspruch, die "Modemethode" in den Mittelpunkt zu stellen, erfüllt die Ausstellung.

(RP)
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