Düsseldorf Kaum noch Platz für Pilze

Düsseldorf · Die Saison für Pilzsammler läuft, das Hobby ist bei Jung und Alt populär. Doch ein Drittel der Pilze in Deutschland steht bereits auf der Roten Liste, weil ihre Lebensräume gefährdet sind. Die Landwirtschaft hat sich verändert, und auch die Wälder werden anders genutzt.

 Das ist der braungrüne Zärtling. Der kleine Wiesenpilz ist der Pilz des Jahres 2013.

Das ist der braungrüne Zärtling. Der kleine Wiesenpilz ist der Pilz des Jahres 2013.

Foto: dpa, Peter Karasch

Die Freude im Süden Deutschlands ist besonders groß: Der Regen kam zur rechten Zeit, während die Ernte im Norden eher durchschnittlich ausfällt, dürfen die Pilzsammler in Bayern und Baden-Württemberg sich auf volle Körbe freuen. Trotzdem ist Peter Karasch nicht zufrieden. "Früher", so erzählt der begeisterte Pilzsammler, "gab es auf den Märkten noch viel mehr Auswahl — Schweinsohren oder den Brätling. Doch diese und viele andere Pilzarten sind sehr selten geworden."

Die Ursache sieht der Experte vom Fachverband der Pilzfreunde, der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) zu einem bedeutenden Teil in der veränderten Landwirtschaft. Der hohe Nährstoffeintrag im Boden setze den Pilzen zu, meint Karasch, und mit dem wachsenden Anteil an Energiepflanzen wie Mais auf dem Acker sei "alles noch ein bisschen schlimmer geworden". Ein gutes Drittel der Pilzarten steht mittlerweile auf der Roten Liste der gefährdeten Pflanzen.

Pilzflora hat sich verändert

Die Schweizer Eidgenössische Forschungsanstalt bestätigt, dass sich in den letzten 100 Jahren die Pilzflora stark verändert habe. "Die Intensivierung von Landwirtschaftsflächen ließ Pilze magerer Wiesen und Weiden verschwinden", berichtet Beatrice Senn-Irlet im gestern veröffentlichten Merkblatt für Pilzschutz. Waldpilze würden zudem negativ dadurch beeinflusst, dass die Wälder heute anders genutzt werden als früher und im Vergleich zu Naturwäldern Alt- und Totholz oft fehlten. Zerfallendes Holz ist ein beliebter Lebensraum für manche Pilze.

Im Pilzreservat La Chaneaz konnten die Schweizer in einem langjährigen Feldversuch nachweisen, dass der Stickstoffeintrag aus der Luft für die Veränderungen bei den sogenannten Mykorrhizapilzen verantwortlich ist. Diese Pilze gehen eine besondere Symbiose mit den Pflanzen der Umgebung ein, vor allem ihrem Wurzelwerk. Davon profitieren beide: Der Pilz nimmt Nährstoffe vom Baum auf, die er selbst nicht produzieren kann. Der Baum wiederum profitiert durch die bessere Ausnutzung des Bodens.

Sturmschäden gefährden Pilze

"Pilze sind gewisserweise ein Indikator für die Befindlichkeit eines Waldes", erklärt Jörg Grüner, Forstbotaniker der Universität Freiburg. Je artenreicher die Wälder seien, desto vielfältiger auch der Pilzbestand. Sturmschäden oder Kahlhiebe in den Wäldern gefährden deshalb auch die Pilzpopulationen. Dennoch weichen die Prognosen für die einzelnen Pilzarten stark voneinander ab. Je stärker der Pilz sich spezialisiert habe, desto schwieriger komme er mit Veränderungen zurecht.

Die Schweizer Pilzforscher haben einige sehr hartnäckige Arten entdeckt, die auch zehn Jahre nach dem Sturm "Vivian" überlebt haben, obwohl sie jahrelang keine Fruchtkörper gebildet hatten. Ohnehin ist es schwierig, den Zustand eines Pilzes präzise zu beschreiben, denn das, was den Sammler erfreut, ist für den Pilz nur eine Möglichkeit den Standort zu verlassen: ein Fruchtkörper, der nur den Zweck verfolgt, die Sporen des Pilzes durch Wind oder Tiere zu verteilen.

(RP/anch)
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