Memory of Mankind Keramiktafeln besser als USB-Sticks und Festplatten

Hallstatt · Im österreichischen Hallstatt werden Informationen der Menschheit dem haltbarsten Material eingebrannt, das Archäologen kennen.

Memory of Mankind: Keramiktafeln besser als USB-Sticks und Festplatten
Foto: dpa, Andrea Warnecke

Trotz einer nie gekannten Flut von Daten könnte unser Jahrhundert als das finstere Jahrhundert in die Geschichte eingehen. Datenträger wie DVD, CD und Festplatte besitzen nur eine begrenzte Lebensdauer, immer wieder muss umkopiert werden. Auf Festplatten halten sich die Daten nur etwa zehn bis maximal 30 Jahre. Zwar gibt es in einem ehemaligen Bergstollen im Schwarzwald ein Archiv, wo wichtiges deutsches Kulturgut auf Schwarzweiß-Mikrofilm aufgezeichnet wurde, doch auch Mikrofilme sind nur 400 bis 500 Jahre haltbar. Wenn Pandemien, atomare Unfälle, schwere Vulkanausbrüche, Asteroiden oder Flutwellen die Erde heimsuchen, wird auch dieses Archiv schnell nicht mehr lesbar sein. Alles, was wir je erschaffen und erforscht haben, wird dann verloren sein.

Im österreichischen Hallstatt werden die Informationen von Museen, Universitäten, wissenschaftlichen Einrichtungen und sogar Privatpersonen auf dem haltbarsten Material eingebrannt, das die Archäologen kennen: der Keramiktafel. Der Erfinder des Archivs, Martin Kunze, benutzt dafür ein Verfahren, bei dem die zu archivierenden Texte und Fotos mit einer Art Laserdruck mittels vierfarbiger keramischer Pigmente auf ein mit Gelatine beschichtetes Papier gedruckt werden. Das wird dann mit der Hand auf die Steinzeugplatte gepresst und bei 850 Grad Celsius in die Keramiktafeln eingebrannt. "Dadurch können alle Dokumente nicht nur in Bild und Text für die Nachwelt erhalten bleiben, sondern sogar in vier Farben", sagt Kunze.

Das sogenannte "Steinzeug", ist eine besondere Art der Keramik. Durch den Vorgang des Brennens sind die Keramikplatten wasserdicht, bis zu 1200 Grad hitzebeständig, säurefest sowie magnet- und strahlenbeständig.

Auch die Speicherdichte der Keramiktafeln ist keineswegs gering. 35 000 Textzeichen passen auf eine 20 mal 20 Zentimeter große Keramikplatte. Das entspricht etwa zehn A4-Seiten, je nach Schriftgröße sogar mehr. Die Auflösung für Bilder liegt auf dem Niveau von Abbildungen in Tageszeitungen.

Eingeschlossen werden die Steinzeugplatten im ältesten Salzbergwerk der Welt in Hallstatt in eigens dafür geschaffenen Kammern. Da das dortige Gebirge aufgrund seines hohen Salzgehaltes plastisch ist, wird der Zugang in die Kammern von etwa 80 Zentimeter Breite nach etwa 40 Jahren auf natürliche Weise verschlossen sein. Das Salzgestein ist zudem wasserdicht. Außerdem liegt der Ort hoch genug, dass er bei einem Anstieg des Meeresspiegels nicht gefährlich geflutet wird. Nicht nur die Steinzeugplatten, sondern auch die Beschaffenheit des Archivs sorgen so für eine schier "unendliche" Haltbarkeit der Kulturzeugnisse.

Außer für alle möglichen Institute mit digitalen Informationen ist das Archiv natürlich auch besonders für Museen und Archäologen geeignet. Das Kunst- und Naturhistorische Museum in Wien ist Kooperationspartner des sogenannten MOM (Memory of Mankind) Archivs und hat bereits 200 seiner wichtigsten Ausstellungsstücke auf den Keramiktafeln verewigen lassen. Anton Kern, Abteilungsdirektor für prähistorische Forschung des Naturhistorischen Museums in Wien, kennt das Material natürlich aus vielen Exponaten seiner Sammlung. Kern sieht für sein und auch viele andere geschichtliche, archäologische und naturkundliche Museen einen enormen Bedarf für eine Speicherung, zumal auch Papier, auf dem viele Dokumente noch gespeichert sind, nicht ewig haltbar ist.

Aber Kunze hat auch schon viele Anfragen von Naturwissenschaftlichen Instituten, von medizinischen Firmen und sogar von der Industrie. Auch Privatpersonen haben hier die Möglichkeit, ihre Geschichte verewigen zu lassen. Und das geht recht einfach: Die betreffenden Personen können ihre Fotos, Texte und Erinnerungsstücke online auf der Webseite des MOM hochladen und die entsprechende Anzahl an Steinzeugtafeln dann in Auftrag geben. "Mit dem Geld, was wir mit den Privatkunden verdienen, finanzieren wir die Administration von MOM sowie größere Projekte, wie beispielsweise die Abbildung von ganzen Büchern auf Hunderten von Steintafeln."

Und demnächst wird in dem Hallstätter Archiv noch eine ganz andere hochbrisante Information hinterlegt werden: Der schwedische Professor für Archäologie, Cornelius Holtorf von der Linnaeus University in Kalmar, will hier Tontafeln hinterlegen, die Lage, Inhalt und Zugang aller Atommülllagerstätten auf der ganzen Welt anzeigen und kommende Generationen eindringlich davor warnen, sie auszugraben und mit ihnen in Berührung zu kommen. Holtorf beschäftigt sich mit dem sogenannten Wissensgebiet der "Atomsemiotik", die über die Anwendung allgemeinverständlicher Zeichen Warnungen vor Gefahren des Atommülls an die Nachwelt weitergeben will.

(RP)
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