Studie Kläranlagen können kleinste Plastikteile nicht zurückhalten

Brake · Kläranlagen sind mit Mikroplastik im Abwasser überfordert. Nur eine teure Schlussfiltration kann die Belastung drastisch reduzieren, wie eine Untersuchung des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) ergab.

Wie die Erde verdreckt
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Foto: PlastikmüllSabina Bredemeier marine-litter-conference-berlin

Mikroplastik besteht aus Teilchen von weniger als fünf Millimetern Größe. Viele dieser winzigen Partikel stammen direkt aus Duschgels, Zahnpasta oder anderen Artikeln mit Peeling-Effekt. Andere sind Bruchstücke und Fasern, die durch Abrieb und Zersetzung von Plastikgegenständen oder Fleecepullovern entstehen. Mikroplastik ist ein ökologisches Problem, weil es Schadstoffe an sich bindet und in die Nahrungskette gelangt.

Für die am Donnerstag veröffentlichte Untersuchung im Auftrag des Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverbands (OOWV) und des Niedersächsischen Landesbetriebs für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) wurden Proben aus dem Ablauf von zwölf Kläranlagen entnommen. Die Belastung durch Partikel reichte von 86 pro Kubikmeter bis zu 714 je Kubikmeter und durch Fasern von 98 bis 1479 pro Kubikmeter.

Einzig die Kläranlage Oldenburg verfügt über eine Schlussfiltration (Tuchfilter). Diese reduzierte die Gesamtfracht von Mikroplastikpartikeln und -fasern um 97 Prozent. Bei einer Kläranlage fielen die Werte mit mehr als 13 000 Partikeln je Kubikmeter völlig aus dem Rahmen. Hier sei unbedingt eine weitere Untersuchung nötig, sagte der Mikrobiologe des AWI, Gunnar Gerdts, der die Proben auf Helgoland untersucht hat.

Je nach Anlagengröße gelangen pro Jahr zwischen 93 Millionen und 8,2 Milliarden Partikeln in die Vorfluter und damit in die Flüsse. Auch im Klärschlamm wurden große Mengen Mikroplastik gefunden. Je Kilogramm Trockenmasse waren es zwischen gut 1000 und mehr als 24 000 Teilchen. Für jede Kläranlage ergibt das hochgerechnet Werte zwischen 1,2 und 5,7 Milliarden Partikeln und Fasern. Wenn Klärschlamm auf Felder ausgebracht wird, gelangen die Teilchen abermals in die Umwelt.

Die Studie ist nach Gerdts Angaben bisher einmalig, weil erstmals Mikroplastik nicht nur optisch erfasst und gezählt wurde. Mit Hilfe von Spektroskopieverfahren konnten verschiedene Kunststoffe wie Polyamid, Polyethylen oder Polystyrol identifiziert und von natürlichen Materialien abgegrenzt werden. Eine ähnliche Studie zur Rückhaltefähigkeit von Kläranlagen gab es bisher aus dem russischen St. Petersburg.

Gerdts regte an, auch in Flüssen nach Mikroplastik zu suchen. Durch die bisherigen Arbeiten des AWI sei Mikroplastik auch im Meeressediment und -wasser nachgewiesen worden - "allerdings in geringen Mengen." Welche Auswirkungen dies auf Lebewesen habe, sei noch weitgehend unerforscht. Nach einer Studie der englischen University of Exeter lösen aufgenommene Hart-PVC-Teilchen Entzündungsreaktionen bei Wattwürmern aus. Nach einer Schätzung von Hubert Keckeis von der Universität Wien finden sich in der Donau im Schnitt 317 Partikel je 1000 Kubikmeter Wasser.

OOWV-Bereichsleiter Andreas Körner verwies auf den Erfolg der Schlussfiltration im Oldenburger Klärwerk, forderte aber: "Der Eintrag von Mikropartikeln muss viel früher, schon bei der Herstellung von Produkten, vermieden werden." Ähnliche Forderungen erheben Umweltschutzverbände wie Greenpeace oder der BUND.

Das Fraunhofer-Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik (Umsicht) hat in diesem Sommer eine Alternative zu Mikroplastik präsentiert: Winzige Partikel aus Biowachs. Im Wasser seien diese im Gegensatz zu Kunststoffen relativ schnell biologisch abbaubar.

(dpa)
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