Düsseldorf Klima-Gipfel endet mit Kompromiss

Düsseldorf · Freiwilligkeit statt Zwang: Bis Ende März 2015 sollen alle Länder dem UN-Klimasekretariat ihre jeweiligen Pläne zur Verringerung der Treibhausgase vorlegen. Ob dieser Abschluss eine Trendwende herbeiführen kann, ist zweifelhaft.

Als die Warnung der Wissenschaftler die Klima-Konferenz in Lima erreichte, hatten die Delegationen noch 36 Stunden Zeit für Verhandlungen. Der Appell der Experten war deutlich und klar formuliert, aber er blieb ohne Auswirkungen. Mehrere europäische Forschungseinrichtungen haben mit sechs unterschiedlichen Computermodellen berechnet, welchen Effekt die bisher angekündigte Verringerung der Treibhausgase haben würde. Das Ergebnis: Selbst wenn China, Europa und die USA ihr aktuelles Versprechen halten, wird das nicht ausreichen, um den Klimawandel zu stoppen.

Die meisten Klimaforscher bewerten einen Anstieg der Durchschnittstemperatur auf der Erde um zwei Grad als obere Grenze dessen, was noch vertretbar ist. Nach den Berechnungen der Forscher greifen die Ankündigungen der Industrienationen aber zu spät. Erst 2040 werde es zur Absenkung des weltweiten Ausstoßes an Treibhausgasen kommen, sagt Elmar Kriegler vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, müsste die Trendwende aber schon 2020 oder spätestens 2030 erreicht werden. Folgt man dieser Argumentation, die in dieser Woche in der Wissenschaftszeitschrift "Nature" veröffentlicht wird, hätten die Delegationen aus den 195 Staaten das Abschlussdokument in Lima noch verschärfen müssen.

Stattdessen einigten sich die Vertreter auf einen Kompromiss, der den Zwang durch Freiwilligkeit ersetzt. Bis Ende März 2015 sollen alle Länder dem UN-Klimasekretariat ihre jeweiligen Pläne zur Verringerung der Treibhausgase vorlegen. Das Paket könnte dann im Dezember bei der nächsten Konferenz in Paris als Klima-Rettungsplan verabschiedet werden. Dieses Verfahren birgt aber eine Gefahr: Es ist wahrscheinlich, dass die Summe der Bemühungen aller Länder nicht ausreichen wird, um in den nächsten zehn Jahren eine Trendwende in Sachen Klimaschutz zu ermöglichen. In Paris könnte also ein Abkommen gefeiert werden, das seinem Namen nicht gerecht werden kann.

Viele Klimaforscher haben die Ankündigungen als Basis für Hochrechnungen genutzt. Demnach wird die Temperatur der Erdatmosphäre bis zum Jahr 2050 um etwa drei Grad im Vergleich zur Zeit vor der Industrialisierung steigen. Nach ihren Berechnungen wird es wesentlich mehr extreme Wetterereignisse geben. In einzelnen Regionen verändert sich das Klima sogar dauerhaft. So werden die Sommer in den südeuropäischen Ländern und in Australien sehr heiß werden. Auch für das Polareis am Nordpol stellen drei Grad Erderwärmung eine kritische Temperatur dar.

Robert Stavins, Wirtschaftsprofessor an der US-Universität Harvard, hat seine Eindrücke von der Konferenz auf eine einfache Formel gebracht: Das angestrebte Zwei-Grad-Ziel und seine wissenschaftliche Begründung sei zwar allgemein anerkannt, aber politisch nicht erreichbar. Die internationale Staatengemeinschaft versuche nun wenigstens für 2030 oder 2040 eine ernsthafte Reduzierung der Treibhausgase verbindlich festzuschreiben. Damit wird nicht nur die Veränderung des globalen Wettergeschehens akzeptiert, der Kampf gegen den Klimawandel wird auch erheblich teurer: Je mehr Kohlendioxid bereits in der Atmosphäre ist, desto drastischer müssen zukünftige Einsparungen ausfallen.

Zudem bemängeln die Klimaforscher, die mangelnde Kontrolle der Klimaversprechen durch unabhängige Stellen. Das Forscherkonsortium "Climate Action Tracker" sowie einige Nicht-Regierungsorganisationen überprüfen seit einigen Jahren auf eigene Initiative, was die Versprechungen wert sind.

Nach ihren Erkenntnissen wird Australien seine Ziele nicht erreichen. Vor fünf Jahren hatte Australien in Kopenhagen versprochen, die Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um fünf Prozent gegenüber dem Jahr 2000 zu senken. "Climate Action Tracker" hat dagegen berechnet, dass Australien 28 Prozent mehr Treibhausgase in die Luft pusten wird.

Solche Initiativen werden in die Verhandlungen als eine Art öffentliches Gewissen benutzt. Sie sollen den Druck auf die Regierungen erhöhen, die zu wenig für den Klimaschutz tun.

(RP)
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