Weltuntergangs-Smog in China Atemberaubende Bilder

Peking · Die Bilder gleichen den apokalyptischen Fantasien eines Hollywood-Regisseurs. In dieser Stadt müssen Autos tagsüber mit Licht fahren, Hochhäuser verschwinden im Nebel. Die Bewohner haben das Gefühl, beim Atmen zu ersticken. Dass Peking zeitgleich zum Klimagipfel im eigenen Rauch versinkt, ist eine bittere Ironie. Szenen aus einem Land im Infarkt.

Peking: Smog nimmt Menschen die Luft zum Atmen
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Smog nimmt Pekingern die Luft zum Atmen

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Foto: afp, ACW

Die Werte sind monströs. Der Feinstaubindex der chinesischen Regierung erfasst Werte von bis zu 500 Mikrogramm. Die US-Botschaft in Peking misst in diesen Stunden 500 bis 600. Die WHO empfiehlt, dass die Belastung mit diesen Partikeln im Tagesmittel nicht höher als 25 Mikrogramm pro Kubikmeter liegt. Sie gelten mit weniger als 2,5 Mikrometer Durchmesser als besonders gefährlich, weil sie direkt ins Blut gehen.

Am Dienstag ließ die Regierung Tausende Fabriken schließen. Die Behörden riefen die Menschen dazu auf, nicht vor die Tür zu gehen. wer sich hinauswagt, trägt eine Atemmaske. Dass die Lage in Peking ausgerechnet in diesen Tagen derart extreme Ausmaße annimmt, trägt eine bittere Ironie in sich. Am Montag hat der Klimagipfel in Paris begonnen, zu dem auch Staatschef Xi Jinping angereist ist.

An Tag zwei haben beim Gipfel die echten Verhandlungen begonnen. Die Chinesen gelten mittlerweile als glaubhaft treibende Kraft für den Klimaschutz. Aus gutem Grund. Der Leidensdruck ist gewaltig, im Land brodelt es, die Menschen sind wütend auf die Regierung.

Auch die Schwester im Pekinger Kinderkrankenhaus ist aufgeregt: "Ja, in den vergangenen zwei Tagen hat die Zahl der Patienten mit Atemwegserkrankungen zugenommen." Wie viel, kann sie nicht sagen. "Ich habe nicht gezählt." Dann hängt sie den Hörer schnell auf, weil sie eigentlich nichts sagen darf.

Der schlimmste Smog dieses Jahres raubt den 22 Millionen Pekingern den Atem - und lässt besonders Kinder und alte Menschen krank werden. Aber auch Erwachsene klagen über Halsschmerzen, husten still vor sich hin.

Eine gewaltige Dunstwolke verdunkelt am Dienstag den Himmel über der chinesischen Hauptstadt. "Es scheint wie der Weltuntergang zu sein", sagt ein 51-Jähriger Angestellter. Autos müssen mit Licht fahren. Die Sichtweite fällt auf 200 Meter. Die Hochhäuser verschwinden im Smog. "Armageddon", sagt ein anderer.

Global Climate March: Proteste vor dem Klimagipfel in Paris
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Global Climate March: Proteste vor dem Klimagipfel

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Die Fußwege wirken leer. Wer sich vor die Tür traut, trägt meist Atemschutzmaske. Viele Pekinger kritisieren die Untätigkeit der Behörden. Auch wird nicht geglaubt, dass wirklich 2100 Fabriken geschlossen wurden oder den Betrieb zumindest herunterfahren mussten, wie es offiziell heißt. Und selbst wenn, hat es nichts gebracht. Es herrscht Unverständnis, dass immer noch nicht die höchste Alarmstufe "Rot" mit Fahrbeschränkungen ausgerufen wird.

Für die große Militärparade Anfang September oder den Asien-Pazifik-Gipfel (Apec) vor einem Jahr wurde der Verkehr gleich wochenlang reduziert. Autos durften je nach Nummernschild nur jeden zweiten Tag fahren, damit sich Peking der Welt mit blauem Himmel von seiner schönsten Seite präsentieren konnte. "Apec-Blue", hieß das. Aber jetzt beim Smog? Nichts. "Die lachen doch über die Gesundheit der einfachen Leute", sagt ein Pekinger bitter.

"Xi Jinping ist froh, dass er nach Paris fliegen durfte", heißt es in sozialen Netzen über den Staats- und Parteichef, der durch seine Teilnahme am Weltklimagipfel dem Smog in seiner Hauptstadt entgehen konnte. Seine Rede in Paris weckte aber wenig Hoffnung, dass China als größter Klimasünder und Kohleverbraucher mehr zum Kampf der Erderwärmung beitragen könnte - geschweige denn, dass sein eigenes Volk irgendwann aufatmen könnte.

"Wo nimmt Papa Xi den Mut her, an der Klimakonferenz teilzunehmen?", fragt ein erboster Internetnutzer und benutzt den Spitznamen "Xi Dada". "Schaut euch heute Peking an. China ist doch ein Witz weltweit. So peinlich." Weiter heißt es: "Die Regierung hat jede Glaubwürdigkeit verloren." Oder: "Wann wird die Alarmstufe "Rot" ausgerufen? Wenn wir sterben? Warum nicht an einem so schlimmen Tag?"

Auf eigene Initiative erlauben Firmen ihren Angestellten, zu Hause zu bleiben. Auch geben Grundschulen den Kindern smogfrei. Freiluftaktivitäten sind ohnehin gestrichen. "Aber wenn die Kinder zu lange in Innenräumen bleiben und nicht die Fenster für frische Luft öffnen können, haben wir Luftverschmutzung auch in den Klassenräumen", heißt es in einer Notiz einer Schule. Die Kinder dürften daheimbleiben, wenn die Eltern es einrichten könnten.

Die Angst geht um. Der Smog schlägt auf das Gemüt. "Ich bin so deprimiert", sagt die 35-jährige Zhang Li. "Wenn ich auf das Programm in meinem Handy mit den Luftwerten schaue, bin ich nur verängstigt." Auch Ausländer, die in Peking arbeiten, sind beunruhigt. Ohnehin finden große Unternehmen schon seit Jahren immer schwerer qualifizierte Beschäftigte, die bereit sind, angesichts dieser schlimmen Umweltbedingungen nach China zu gehen.

Und wer in Peking ist, trägt sich mit Abwanderungsgedanken. "Heute früh haben meine Frau und ich ernsthaft darüber nachgedacht, bald zurückzugehen", sagt der Vertreter eines großen internationalen Unternehmens. "Wir haben drei kleine Kinder. Wir machen uns große Sorgen. Das geht so nicht weiter."

(pst/AP/dpa)
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