Rätsel des Alltags Lässt Kummer graue Haare wachsen?

Düsseldorf (rpo). Im Buch "Krebsgang" von Günter Grass ergraut eine junge Frau von jetzt auf gleich durch ihre Erlebnisse beim Untergang der Wilhelm Gustloff. Ist solch ein spontanes Ergrauen des Haupthaares möglich oder nur poetische Fiktion?

In Literatur und Geschichte wird immer wieder berichtet, dass Haare nach haarsträubenden Erlebnissen plötzlich grau oder weiß werden. In einer Biografie über Karl Marx ist nachzulesen, dass dieser über Nacht nach dem Tod seines achtjährigen Sohnes Edgar weiße Haare bekam und viele Monate über nichts anderes sprechen und schreiben konnte als über den Verlust seines Kindes.

Das bekannteste historische Beispiel ist Marie Antoinette. Von der französischen Königin wird berichtet, ihre Haare seien komplett grau geworden - in der Nacht, bevor sie aufs Schafott stieg.

Die normale Haarfarbe ist genetisch bestimmt und tritt in vier Hauptvarianten auf: schwarz, braun, rot und blond. Genetische Varianten mit Zwischenstufen innerhalb dieser Farbpalette kommen vor und werden durch verschiedene Faktoren beeinflusst. Entscheidend für die individuelle Haarfarbe sind der Pigmentgehalt des Haarschaftes und physikalische Effekte.

Zu letzteren gehören Lichtreflexion und -absorption, welche unter anderem durch Haardicke und Schaftform bestimmt werden. Der Eindruck weißen Haares entsteht beim Fehlen des Pigmentes Melanin vornehmlich durch Reflexion des Lichtes. Der Eindruck schwarzer Haare entsteht wiederum durch Absorption des Lichtes.

Dass Haare ergrauen ist ein typisches Zeichen unseres physiologischen Alterungsprozesses. Dabei werden die Haare genau genommen eigentlich nicht grau, sondern weiß. Grau erscheint es uns nur, weil zugleich pigmentierte und depigmentierte Haare vorhanden sind.

Man wird plötzlich weiß, weil die pigmentierten Haare selektiv ausfallen. Dieses Phänomen interpretieren Dermatologen als eine besondere Verlaufsform des kreisrunden Haarausfalls (Alopecia areata). Eine akut einsetzende Variante führt bei grau melierten Haaren dazu, dass plötzlich alle gefärbten Haare ausfallen und nur noch die hellen übrig bleiben.

Seelische Faktoren sind aber weder Auslöser dieses Phänomens, noch beschleunigen sie den Vorgang. Bis heute gibt es keine wissenschaftliche Studie, die einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dramatischen Erlebnissen oder psychischen Stresssituationen und dem Weißwerden über Nacht beweist. Fazit: Man kann sich zwar "schwarzärgern", aber graue Haare bekommt man davon nicht.

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