Manche mögen's heiß

Frauen drängt es an den Grill: Hersteller reagieren mit farbigen Deckeln, Lebensmittelhändler fahren Frauen-Grill-Kampagnen. Eine 64-Jährige aus Bielfeld, Spitzname "Grillse", geht gegen Vorurteile an.

Wenn Ilse Benders-Rexin aus Bielefeld bei Grillmeisterschaften ihre hochwertigen Grills auspackt, wird ihr Teamkollege Kai meist angesprochen und gelobt. "Super-Grills hast du da mitgebracht!" "Das sind nicht meine, die gehören der Omma dahinten", antwortet er dann. Die "Omma" ist 64 Jahre alt, arbeitet in einem Krankenhauslabor und steht sicherlich schon seit 50 Jahren am Rost. "Schon beim CVJM wurde ich zum Grillen abkommandiert", sagt sie. Mit Würstchen und Stockbrot hat das aber nichts mehr zu tun, was sie heute bei Meisterschaften zubereitet. Da kommt dann auch eine Spargel-Crème-brulée vom Grill.

Ilse Benders-Rexin, Spitzname "Grillse", ist sicherlich eine Art Pionierin, aber immer mehr Frauen wagen sich an den Grill. Das haben auch Hersteller und Lebensmittelhändler erkannt und umwerben die neuen Kundinnen. In der aktuellen Kampagne mit dem Spot "Männer, die auf den Grill starren" stellt zum Beispiel Kaufland eine Frau an den Rost. Die Männer bleiben im Liegestuhl sitzen und bewundern brutzelndes Obst, Fisch und Gemüse. Der Slogan lautet "Männer im Griff. So geht's". Auf einem Plakat steht neben einer Frau mit einem großen Steak die Frage "Du wurdest aus einer Rippe geschaffen. Warum solltest Du nicht grillen können?"

Die Frage hat sich Ilse Bender-Rexin nie gestellt. Sie hat einfach gemacht. Doch die 64-Jährige trifft immer noch auf Vorurteile. "Nicht bei den Meisterschaften, da wissen alle, dass die Frauen, die da antreten, auch was können." Aber besucht sie zum Beispiel mit ihrem Mann ein Fachgeschäft, wird sie ignoriert und ihr Mann nach seinen Wünschen gefragt. Während sie das Angebot erkundet, antwortet er auf die Frage, ob man ihm weiterhelfen könne, er schaue sich nur um. "Ich wurde nicht registriert", sagt "Grillse". "Als wir gegangen sind, wurde er gefragt, ob er nichts gefunden hätte. Da habe ich gesagt: Frau hätte was gefunden, aber Frau wurde nicht gefragt."

Das ist beim weltgrößten Grillhändler Santos in Köln anders. "Wir beschäftigen auch mehrere Frauen als Verkäuferinnen", sagt Daniel Schellhoss, einer der Geschäftsführer. Die Verkäuferinnen stünden auch mit ganz oben in den Statistiken, denn sie seien wie die männlichen Kollegen über alle Features der Grillgeräte geschult und verfügten dann "über einen Tick mehr Einfühlungsvermögen". Zudem bietet das Unternehmen Grillseminare an, auch eine Frau schult Interessierte über Techniken am Rost. "Anfangs sind manche Teilnehmer schon ein wenig skeptisch und fragen sich, was kann die mir denn beibringen", sagt Schellhoss. "Am Ende verneigen sie sich dann."

Vor Tanja Klein zum Beispiel. Die 23-Jährige gibt Seminare und muss zu Anfang schon die Skepsis der Herren ihrer Person gegenüber zerstreuen. "Einige meinen tatsächlich, Grillen wäre für Frauen zu gefährlich." Die gelernte Köchin hat die Teilnehmer dann aber schnell auf ihrer Seite. Vor zwei Jahren noch waren nie Frauen in den Kursen, mittlerweile sind es immer zwischen drei und fünf. "Vor allem mit dem Gasgrill können Frauen oft besser umgehen, vielleicht weil sie wissen, dass man den Knopf auch drehen kann und es mehr Temperaturen als nur Heiß und Kalt gibt", sagt sie schmunzelnd.

Auch Schellhoss bemerkt das gestiegene Interesse der Frauen am Grillen. "Der Grill wird ja immer mehr auch als eine Art Außenküche gesehen", betont er. Dadurch bietet er viel mehr Möglichkeiten. "Frauen sehen das eher als Lifestyle und interessieren sich auch für gesunde Küche mit Geflügel und Gemüse." Viele Männer hingegen seien noch traditioneller unterwegs, mit Grillsportverein, Pulled-Pork-Fleischbatzen und Sprüchen wie "Unter fünf Zentimetern ist ein Steak Carpaccio".

Die Hersteller haben sich längst auf die Kundinnen eingestellt und brechen zum Beispiel aus ihrer klassischen Farbpalette von Schwarz und Silber aus. Weber etwa bietet einige seiner Grillmodelle mit rosafarbenen oder pinken Deckeln an. Auch Napoleon schwenkt auf bunte Hauben um.

Die Liebe der Männer zum Grillen wird stets verherrlicht. Da werden die Bilder vom Mammut jagenden Höhlenmenschen heraufbeschworen. Es wird darüber fabuliert, wie Jäger und Sammler in der Prärie sich am Lagerfeuer wärmten und ein paar Fleischbrocken in die Glut warfen. Viele Götter des Feuers wie Hephaistos oder Loki sind männliche Figuren. Ihnen entgegen steht aber Vesta, die Göttin des Herdes. Und dieser bestand früher nicht aus vier Elektro-Platten, sondern aus glühenden Kohlen und Feuer. Die Flammen zu nähren, war schon immer die Aufgabe der Frauen. Denn die Männer waren auf der Jagd und kamen mit der Beute heim.

Die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sind Klischees, doch in den meisten steckt ein Funke Wahrheit. Beispiel Technik: Ilse Benders-Rexin zum Beispiel verfügt über viele gute Grills, die sie bei Wettbewerben gewonnen hat. Sie hat zum Beispiel zwei Ascona-Grillkugeln von Outdoorchef, den Weber-Spirit 310 e und einen Napoleon Triumph 495 mit vier Brennern und einem Seitenkochfeld. Und zwei Weber-Mastertouch dürfen nicht fehlen. "Natürlich Holzkohle, wegen des archaischen Feelings."

Ansonsten besitzt sie keinen zusätzlichen Schnickschnack. Sie hat sich einen Pizzastein gekauft - mehr braucht sie nicht. "Diese ganze Hochrüstung nützt nichts. Entweder man kann es oder man kann es nicht." Bei Ilse Benders-Rexin kommen nicht ausschließlich Gambas auf den Rost, "und ich lutsche auch nicht nur Salat". Sie achtet auch ein wenig aufs Geld. "Bei mir kommt es nicht vor, dass ich zwei Drittel meines Haushaltsgeldes an einem Abend ausgebe, nur weil ich Wagyu-Steaks auf den Grill lege." Das, so hat sie beobachtet, sei eher eine Tendenz bei Männern, sich auf teure Stücke zu konzentrieren. Ihr Lieblingsrezept sind Schaschlik-Spieße, mit saftigen Stücken aus dem Schweinenacken geschnitten. Gerne spießt sie auch ein paar Brocken Leber oder Nieren mit auf. "Die Nieren bleiben dann aber alle nur für mich - das mag außer mir kaum jemand."

(mso)
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