Köln Mehr Flüchtlinge an bischöfliche Schulen

Köln · Aus rechtlichen Gründen besuchen bisher nur wenige Flüchtlinge Schulen der Bistümer. Das soll sich nun ändern.

Als Nergez zum ersten Mal an ihre neue Schule kam, nahmen drei Mitschülerinnen sie in Empfang, brachten sie in ihre neue Klasse - und dann ging der Unterricht für das Flüchtlingsmädchen aus dem Irak auch schon los. "Wir wollten kein großes Tamtam, sondern von Anfang an so viel Normalität wie möglich", sagt Dominik Schultheis, katholischer Seelsorger an der Liebfrauenschule in Bonn. Eine Klasse hat für ihre neue Mitschülerin ein Schild gebastelt mit einem Willkommensgruß auf Kurdisch - übersetzt mithilfe einer Maschine im Internet. Eine andere Schülergruppe hat einen virtuellen Kleiderschrank entwickelt: Die Jugendlichen können dort eingeben, welche Kleider sie abgeben können, die geflohenen Mitschüler ihren Bedarf anmelden, so entfällt das Problem, Klamotten in einem Raum zu türmen, die vielleicht niemand braucht. "Solche Angebote sind wichtig, auch für die bestehenden Klassen", sagt Schultheis, "seit bei uns Flüchtlinge aufgenommen werden, erlebe ich Schule nicht mehr so sehr als Servicestation, sondern als einen Ort für echtes Miteinander, an dem viele Ideen geboren werden, um anderen das Einleben zu erleichtern."

Die Liebfrauenschule in Bonn gehört zu den ersten weiterführenden Schulen in Trägerschaft des Erzbistums Köln, die Flüchtlingskinder aufnehmen. 14 sind es dort bisher, damit liegt das Mädchengymnasium weit über dem Durchschnitt. Denn bisher werden an den 32 Schulen des Erzbistums insgesamt erst 40 Flüchtlingskinder unterrichtet. In anderen Bistümern, etwa Aachen, sind es noch weniger. Das hat rechtliche Gründe. Bisher können die staatlichen Stellen weiterführenden katholischen Schulen nicht einfach Flüchtlinge zuweisen, da es sich um sogenannte Ersatzschulen handelt.

Das heißt, ein kompliziertes Verfahren war notwendig, wenn die Schulen aus eigener Initiative Flüchtlinge aufnehmen wollten. Das führte dazu, dass es etwa im Bistum Essen eine bischöfliche Schule gibt, die freiwillig Sprachkurse anbietet - allerdings bisher nur für erwachsene Flüchtlinge, deren Kinder konnte die Schule nicht aufnehmen. Doch in Zusammenarbeit mit den Bezirksregierungen soll das Aufnahmeverfahren nun vereinfacht werden - und die Bistümer bereiten sich darauf vor, ihre Kapazitäten für Flüchtlinge zu erhöhen. Im Erzbistum Köln etwa ist das Ziel, statt ein Kind pro Schule, wie bisher, mindestens ein Kind pro Klasse aufzunehmen, und zwar schon ab dem nächsten Februar. Das wären dann insgesamt 750 Kinder.

Angesichts des Bedarfs ist das allerdings immer noch eine verschwindend geringe Zahl. Allein in NRW rechnet das Schulministerium für dieses Jahr mit 40.000 zusätzlichen Flüchtlingskindern im schulpflichtigen Alter. Im kommenden Jahr dürften es noch einmal so viele werden. Das führt das System an die Grenzen, Lehrer für "Deutsch als Zweitsprache" etwa werden händeringend gesucht. Das spüren nun auch die Bistümer, die zusätzliche Lehrer anstellen und ihre vorhandenen Kollegien fortbilden wollen.

Wegen des großen Bedarfs richten die staatlichen Schulen in den Ballungsgebieten vorwiegend Auffang- bzw. Vorbereitungsklassen und Internationale Förderklassen ein, um möglichst vielen Flüchtlingskindern möglichst schnell ihr Recht auf Bildung zu garantieren.

Das Erzbistum Köln möchte dagegen andere Wege der Integration gehen und die Kinder von Anfang an in Regelklassen unterbringen. Nur für den Deutschunterricht sollen sie in Extragruppen unterrichtet werden. "Das gibt den Kindern den Halt des Klassenverbandes", sagt Bernadette Schwarz-Boenneke, Hauptabteilungsleiterin für Schule und Hochschule im Kölner Generalvikariat, "außerdem kann man so individueller auf die Fähigkeiten der Schüler eingehen, wenn sie noch kein Deutsch können, aber zum Beispiel in Mathe sehr gut sind."

Auch an den ersten bischöflichen Schulen mit Flüchtlingskindern übernehmen Ehrenamtler derzeit noch wichtige Aufgaben wie individuelle Sprachförderung. "Dem Klima in der Schule tut das nur gut", sagt Seelsorger Schultheis. Ein Burn-out dieser Helfer befürchtet er nicht. Es gebe ein großes Potenzial für Engagement an den Schulen. Sie fingen ja gerade erst an und lernten nun einfach beim Tun. Außerdem habe er in der katholischen Jugendarbeit gelernt: "Groß denken, klein wird's von selbst."

(dok)
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