Jojo Moyes "Meine Bücher wollte kein Verlag haben"

Die Britin Jojo Moyes ist die derzeit gefragteste Autorin in Deutschland. Ein Gespräch über Frauenliteratur und einen Anruf aus Hollywood.

Jojo Moyes: "Meine Bücher wollte kein Verlag haben"
Foto: DPA / Daniel Reinhardt

Ihr neues Buch ist eine Roadtrip-Geschichte. Sie haben gesagt, dass Sie das Genre schon immer fasziniert hat. Warum?

Moyes Es ist einfach so, dass man sehr viel über den Charakter von Menschen lernt, die für längere Zeit auf engem Raum zusammen sind. Man kennt das von Langstreckenflügen, wenn man sich stundenlang mit Wildfremden unterhält. Das kann entweder großartig sein oder schrecklich (lacht). Diese Ausgangslage hat mich gereizt.

Ihre Hauptfiguren sind Frauen. Sie wehren sich aber gegen das Label "Frauenliteratur". Wie würden Sie Ihre Bücher beschreiben?

Moyes Ich mache kommerzielle Fiktion mit Qualitätsanspruch. In Großbritannien haftet Frauenromanen leider ein schlechtes Image an, sie werden schnell als Groschenromane abgetan. In den USA ist das ganz anders. Dort gibt es viel mehr Autorinnen, die über Frauen schreiben und dafür viel Anerkennung bekommen. In meiner Heimat liegt da noch ein langer Weg vor uns.

In Ihrem aktuellen Roman "Weit weg und ganz nah" trifft die fast mittellose alleinerziehende Mutter Jess auf den reichen Geschäftsmann Ed, der sie und ihre Kinder im Auto mitnimmt. Die Konstellation "arme Frau, reicher Mann" gab es schon in "Ein ganzes halbes Jahr". Warum wiederholen Sie das Muster?

Moyes Es war keine bewusste Entscheidung. Die Themen für meine Bücher ergeben sich oft spontan aus Nachrichten, die ich höre, oder aus Gesprächen. Eine befreundete Putzfrau hat mir erzählt, dass ihr Chef ihr mal die Tür zugeknallt hat, weil er gerade telefonierte. Ich habe mich gefragt: Warum benimmt sich jemand so? Daraus hat sich die Idee für das Buch entwickelt. Auch Jess arbeitet als Putzfrau.

Der Grund für den Roadtrip ist, dass Jess' Tochter bei einem Mathe-Wettbewerb in Schottland Geld für ihre Ausbildung gewinnen könnte. Aber eigentlich suchen alle Menschen im Auto nach Anerkennung. Ist das ihr Hauptthema? Frauen, die um Anerkennung kämpfen?

Moyes Es geht eher darum, vorschnelle Urteile über Menschen zu widerlegen. Jess erscheint als die schwache Person im Vergleich zu Ed, doch tatsächlich ist sie es, die Stärke zeigt und ihr Ziel konsequent verfolgt. Er lernt von ihr und endet auf ihrem Level, nicht umgekehrt. Gerade in Zeiten der sozialen Netzwerke, in denen wir ständig Menschen verurteilen, ohne sie wirklich zu kennen, kommt es darauf an, genauer hinzusehen. Auch Jess und Ed haben Vorurteile übereinander und merken erst nach einer Weile, dass sie im Grunde das Gleiche wollen.

Ihr Roman "Ein ganzes halbes Jahr" wird in Hollywood verfilmt. Wie stark sind Sie involviert?

Moyes Sehr stark, ich schreibe das Drehbuch mit.

Wie fühlt sich das an, wenn Hollywood anruft?

Moyes Es fühlt sich großartig an. Als ich im Büro des Studios MGM saß, das den Film produziert,und all die Oscar-Trophäen sah, konnte ich es kaum fassen. Wenn mir das jemand vor 15 Jahren erzählt hätte, hätte ich ihn für komplett verrückt erklärt.

Ist das die ultimative Anerkennung für eine Autorin?

Moyes Absolut. Ich schreibe schon sehr lange, und meine ersten drei Bücher wollte kein Verlag haben. Als das erste Kind da war, wurde das schon belastend. Zum Glück hatte mein Mann viel Geduld mit mir.

Woher nahmen Sie die Motivation, weiter zu machen?

Moyes Ich war Journalistin und habe vor allem nachts gearbeitet. Tagsüber hatte ich frei und musste mich beschäftigen. Weil meine Freunde gearbeitet haben und ich auch kein Geld hatte, um etwas zu unternehmen, habe ich geschrieben. Das habe ich schon als Kind gemacht, wenn mir langweilig war. Vielleicht lag es daran, dass ich Einzelkind bin. Als ich die ersten drei Kapitel des vierten Buchs an meine Agentin geschickt hatte, standen die Verlage plötzlich Schlange. "Die Frauen von Kilcarrion" wurde mein erster Bestseller in Großbritannien.

Hartnäckigkeit kann sich lohnen.

Moyes Ja, obwohl ich natürlich auch Glück hatte, mit der Geschichte offenbar einen Nerv zu treffen. Heute weiß ich, dass ich nicht da wäre, wo ich bin, wenn jemand die ersten drei Bücher verlegt hätte. Ich wäre weg vom Fenster, denn sie waren einfach nicht gut genug.

Sie sind in keinem Land so erfolgreich wie in Deutschland, auch Ihr neues Buch steht wieder an der Spitze der Bestsellerlisten. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Moyes Ich habe keine Ahnung, aber es macht mich natürlich sehr glücklich. Mir hat allerdings jemand erzählt, dass es in Deutschland einen Markt gibt für Geschichten über echte Frauen, die im Leben stehen, keine Superheldinnen, die Job, Mann und Kinder spielend unter einen Hut kriegen. Meine Figuren sind nicht perfekt, sie müssen sich durchkämpfen. Das kommt der Lebensrealität vieler Frauen nah.

Woran arbeiten Sie aktuell?

Moyes Am Drehbuch für die Verfilmung von "Weit weg und ganz nah". Außerdem schreibe ich an einem weiteren Roman. Dazu möchte ich aber noch nicht so viel sagen, ich befinde mich noch in einer frühen Phase. Es ist schon vorgekommen, dass ich hunderttausende Wörter wieder gelöscht habe, weil die Geschichte nicht funktioniert hat.

(RP)
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