Umorientierung schafft neue Probleme "Mit dem schönen Händchen": Schwieriger Alltag für Linkshänder

Düsseldorf (rpo). Goethe, Einstein, Ghandi - drei berühmte Linkshänder; rund 16 Millionen Menschen sollen es in Deutschland sein, die "links gesteuert" sind. Manche sprechen gar von bis zu 50 Prozent teils latenten Linkshändern. Trotz der Menge gestaltet sich der Alltag für die "Betroffenen" noch immer schwierig.

<P>Düsseldorf (rpo). Goethe, Einstein, Ghandi - drei berühmte Linkshänder; rund 16 Millionen Menschen sollen es in Deutschland sein, die "links gesteuert" sind. Manche sprechen gar von bis zu 50 Prozent teils latenten Linkshändern. Trotz der Menge gestaltet sich der Alltag für die "Betroffenen" noch immer schwierig.

Rechts vor links - Scheren, Füller, Computermaus, Gartengeräte, Fotoapparate und Unterhosen mit Eingriff - für Linkshänder ist alles genau verkehrt designt. In Spezialgeschäften gibt es zwar fast jeden Gegenstand des täglichen Bedarfs "anders herum", aber die Läden sind selten und ihre Produkte deutlich teurer.

Linkshänder gelten als unbeholfen, weil sie kein Geschenkpapier gerade schneiden und nicht sauber schreiben können. Am Bankschalter geraten sie in Nöte, weil der Kugelschreiber an der falschen Seite angebracht ist - und an einer zu kurzen Schnur hängt.

In Deutschland tritt vor allem die erste Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder an die Öffentlichkeit, etwa mit der Prämierung eines "Spielzeug des Jahres für Linkshänder". Die Psychotherapeutin Johanna Barbara Sattler hat die Einrichtung 1985 aus einem Forschungsprojekt heraus in München gegründet. Sie arbeitet vor allem mit Pseudorechtshändern - Rechtshänder, die gar keine sind, weil ihnen als Kind verboten wurde, mit links zu schreiben.

Für Sattler ist das "einer der massivsten Eingriffe in das Gehirn ohne Blutvergießen". Die Dominanz einer Hand ist angeboren. Eine erzwungene Umorientierung kann laut Sattler Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen, Sprachprobleme oder feinmotorische Störungen hervorrufen. Eine Umschulung zwinge den Menschen, weit mehr Kräfte als ein normaler Rechtshänder einzusetzen, um seine Intelligenz zu mobilisieren.

Norbert Martin hat es erlebt. Der 51-Jährige gibt in Wuppertal seit 1997 "Left Hand Corner" heraus - ein vier Mal im Jahr erscheinendes Linkshändermagazin. Martin wurde Anfang der 60er Jahre eingeschult "und sanft vergewaltigt von der Lehr-Beamtin mit einem Wollhandschuh an der linken Hand, damit keine Missverständnisse aufkommen".

Geschrieben wird mit rechts, "dem richtigen, dem schönen Händchen". Seine Noten in Schönschrift sind miserabel, er reagiert unter Stress mit Protesturin. "Das Kind nässt ein, aber wenigstens schreibt es rechts", sagt Martin heute lapidar.

Bis in die späten 70er hielten viele Lehrer an diesem Grundsatz fest, dass Linkshändigkeit eine Störung sei, die unbedingt abgeschaltet werden müsse. Diese Zeiten sind seit 15 bis 20 Jahren vorbei, in Bayern etwa steht seit 2001 offiziell im Lehrplan, dass die Schüler "nicht zum bevorzugten Gebrauch ihrer nicht dominanten Hand angehalten werden dürfen".

Johanna Barbara Sattler stellt jedoch fest, dass viele Kinder sich "freiwillig" umstellen, weil sie sich am Modellverhalten ihrer vorwiegend rechtshändigen Umgebung orientieren. "Wir arbeiten gerade mit einem offenkundig linkshändigen Jungen, der unbedingt rechts schreiben möchte, weil er nicht anders als seine Freunde sein will", erzählt Sattler.

Aufgrund der zahlreichen Fälle von bewusster wie unbewusster Umschulung ist sie überzeugt, dass Linkshänder keineswegs eine Minderheit sind. "Nach meiner Erfahrung könnte bei der Hälfte der Bevölkerung die linke Seite dominant sein. Viele wissen es nur nicht." Ältere Studien gehen von 10 Prozent aus, aktuelle Schätzungen halten 20 bis 35 Prozent für realistisch.

Der kleine Junge ist also gar nicht so allein. Und vielleicht hilft es ja, ihm die vorteilhaften Perspektiven eines Linkshänderdaseins vor Augen zu führen. In der internationalen Elite der Fechter, der Badminton- und Tennisspieler sind Linkshänder mit bis zu 50 Prozent vertreten. Ihre rechtshändigen Gegner können ihre Spielweise wesentlich schwerer berechnen als umgekehrt.

Veranstaltungen am Linkshändertag gibt es in München, Lindhorst, Jena, Magdeburg und Berlin.

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