Mit Pauken und Trompeten

Unsere Sprache wird von vielen Begriffen und Redewendungen aus der Musik bestimmt. Wir verwenden sie, ohne über ihre Herkunft nachzudenken.

Welche Worte bemooste Häupter dafür gefunden haben, dass Musik uns exemplarisch beflügelt, animiert, zufrieden stimmt und beseligt, das kann jedermann in Büchern unter Titeln wie "Das treffende Zitat" nachlesen. In diesem Standardwerk von Pelzer/Normann verzeichnet das Stichwort "Musik" nicht weniger als 33 Einträge, darunter natürlich der olle Friedrich Nietzsche mit seiner unschlagbaren Weisheit: "Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum".

Ohne Musik wäre die Sprache unseres Lebens allerdings auch deutlich ärmer, denn unser Wortschatz ernährt sich reichlich von ihr. Fachbegriffe aus der Musik sind auf der Fähre der Metapher in den Hafen unseres Sprachalltag eingelaufen; seit langem ragen Wörter und Redewendungen aus der Welt der Instrumente, Töne, Klangfarben oder der Notation direkt in unser Vokabular, ohne dass wir uns das jemals klargemacht hätten. Mitunter hat es den Anschein, als habe ein ganzes Volk seine tägliche Zeitungslektüre vor allem dem Studium von Musikkritiken gewidmet.

Dass etwas der Auftakt zu einer Reihe von Aktionen sei, geht uns flüssig über die Lippen; doch niemandem ist es bewusst, dass die Herkunft des Wortes aus der zeitlichen Organisation von Musik entlehnt ist. Auch das Präludium ist ein beliebter Kunstgriff, um einen Akt der Vorbereitung zu versprachlichen. Die Partitur, die jemand angeblich beherrscht, hat ebenso viele Bereiche des Alltags erreicht, und eine parlamentarische Debattenrede wird natürlich gern intoniert. Im Fall ihres Gelingens wird sie hymnisch gefeiert, oder man greift in die Harfe, damit es dem zu Lobenden wie Musik in den Ohren klingt. So jemand bleibt im Amt und darf weiterhin den Takt angeben. Wer Amt und Würden erst anstrebt und zum Vorstellungsgespräch schreitet, der geht umgangssprachlich zum Vorsingen. Bekommt er die Stelle, wird er manchmal etwas Zeit benötigen, bis er erst seinen Rhythmus gefunden hat.

Wenn eine Regierungskoalition von einem Streit in den nächsten schliddert, sind fraglos zahllose Dissonanzen zu vernehmen. Sofern Staatsoberhäupter allerdings aufgrund diverser Verfehlungen ihrer baldigen Abwahl entgegensehen, wird dies - natürlich auch journalistisch - regelmäßig als Götterdämmerung bezeichnet. Das ist stets kurios, denn in Wagners bekannter Oper, deren Titel der Begriff zitiert, tauchen Götter keineswegs auf; sie haben bereits abgedankt, kämpfen nicht mehr und warten nur noch auf ihr Ende.

Etliche Begriffe haben Jahrzehnte, ja Jahrhunderte auf dem Buckel; bei genauer Analyse stammen viele von ihnen aus militärischem Umfeld. Dass jemand mit Pauken und Trompeten gefeiert wird oder durchfällt, ist der Tatsache geschuldet, dass beide Instrumente in der Militärmusik edel angesehen waren, anders als Trommeln und Pfeifen. Auch der Paukenschlag stammt zweifelsfrei aus der Sphäre historischer Landesverteidigung.

Dass ein Rangoberer einen Untergebenen nach seiner Pfeife tanzen lässt oder ihm die Flötentöne beibringt, stammt sprachgeschichtlich aus einem von Zucht und Erziehung geprägten Milieu, ebenso natürlich der Marsch, der einem geblasen wird. Ignoranten, die vom Wehrdienst keine Peilung haben und auch kein Spannbettlaken gerade gefaltet bekommen, haben gewiss von Tuten und Blasen keine Ahnung. In Wirklichkeit stammt diese Metapher aber aus dem mittelalterlichen Stadtleben, in dem die am wenigsten angesehene Tätigkeit diejenige des Nachtwächters war. Wer sogar hierfür ungeeignet war, der hatte fürwahr von Tuten und Blasen keine Ahnung und auch sonst allen Grund, Trübsal zu blasen.

Auch die Kirche hat sich als Spenderin vieler Metaphern hervorgetan, vor allem die Orgel als die erhabene Königin der Instrumente. Dass Menschen, in Reih und Glied und nach Größe geordnet, dastehen wie die Orgelpfeifen, kennen wir beispielsweise vom Sportreporter-Deutsch bei Freistoßmauern. Berufskomiker, die ein Feuerwerk von Witzen und Pointen abbrennen, ziehen alle Register und spielen auf jeden Fall auf der Klaviatur des Frohsinns. Besonders lautstarken Humoristen sagt man nach, dass sie zum Orgeln neigen. Dieser Terminus ertönt übrigens auch bei älteren Automobilen, die im Winter wegen schwacher Batterie nicht direkt anspringen, weswegen der Fahrer erst einmal ordentlich orgeln muss, bevor die Zündkerzen endlich eine erfreuliche Antwort geben.

Die abschätzige Formulierung, jemand sei eine Pfeife, kann etymologisch dem Militär- und dem Sakralraum zugeordnet werden. Eher lungenheilkundlich ist der Zustand zu bewerten, dass jemand aus dem letzten Loch pfeift. Fußballer, die einen zu kräftigen Kopfball getätigt haben oder aufgrund einer Attacke im Strafraum zu Boden gehen, hören in jedem Fall die Glocken läuten oder die Englein singen.

Die Zupf- und Streichinstrumente sind aufgrund ihrer Bekannt- und Beliebtheit ebenfalls perfekte Animateure für die Sprache. Dass bei jemandem andere Saiten aufgezogen werden müssen, ist uns als Drohgebärde so geläufig wie die Tatsache, dass jemand auch außerhalb eines Orchesters gern die erste Geige spielt. Für den Zustand der Glückseligkeit hat sich die Metapher vom Himmel voller Geigen eingebürgert.

Manche Metapher ist indes nur für Eingeweihte zu verstehen. Unter Leipzigs Thomaner-Knaben gibt es ein Schimpfwort. Wer zum Direx geht, um zu petzen oder auf Schönwetter zu machen, geht harfen. Dieses Verb ist so subtil, wie es Musik manchmal ist, wenn sie - anders als bei Wilhelm Busch - nicht mit Geräusch verbunden ist.

(w.g.)
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