Leiden Mondrian in Den Haag

Leiden · Vor 100 Jahren fand sich im Niederländischen Leiden die Künstlergruppe De Stijl zusammen. Ihr Star ist bis heute Piet Mondrian. Jetzt erinnert eine Schau in Den Haag an die großartigen Erneuerer.

Ob die ungegenständliche Kunst dem Osten oder dem Westen entsprang, darüber mögen sich Gelehrte streiten. Fest steht, dass etwa zur gleichen Zeit Mondrian in den Niederlanden wie auch Malewitsch in Russland abstrakte Formensprachen entwickelten, die in Windeseile die Welt eroberten. Von 1913 stammt Malewitschs erste Fassung seines "Schwarzen Quadrats" auf einem Bühnenvorhang. Ein titelloses abstraktes Aquarell von Kandinsky soll von 1910 stammen, ist aber wahrscheinlich vordatiert und erst 1913 entstanden - in Deutschland. Schon seit 1905 hatten Mondrians Landschaftsbilder erste abstrakte Züge angenommen.

Ein Jubiläum erinnert 2017 nicht nur an die Parallelität der Ereignisse, sondern auch daran, dass sich die ungegenständliche Kunst aus zwei gegensätzlichen Quellen speiste: Vor 100 Jahren fand sich im Städtchen Leiden um die Maler Piet Mondrian (1872-1944), Theo van Doesburg (1883-1931) und Bart van der Leck (1876-1958) die zuerst niederländische, dann internationale Gruppe De Stijl zusammen.

Ihr bis heute leuchtender Stern ist das Werk Mondrians. Dessen Bedeutung wurde zuletzt 2015 wieder durch einen Rekord auf dem Kunstmarkt bestätigt. Bei einer Auktion von Christie's in New York wechselte das Gemälde "Komposition Nr. III, mit Rot, Blau, Gelb und Schwarz" für umgerechnet 45 Millionen Euro den Besitzer. Das Gemeentemuseum in Den Haag zeigt von kommender Woche an die Ausstellung "Piet Mondrian und Bart van der Leck - die Erfindung einer neuen Kunst" und porträtiert damit die Gruppe De Stijl

Jene gegensätzlichen Quellen, aus denen die abstrakte Kunst des Westens und die des Ostens schöpften, waren Gefühl und Vernunft. Während Malewitsch der Überzeugung war, dass sich Erkenntnis nur durch Gefühl erlangen lasse, vertrat Mondrian die Auffassung, dass nur die Vernunft zur Erfahrung der Wahrheit führe. Die Mittel, mit denen beide Künstler dorthin gelangten, waren ähnlich. Sie verwendeten geometrische Formen und betonten diese Formen durch eingängige Farben.

Mondrian, der sich ursprünglich als Landschaftsmaler sah, wurde vor allem mit jenen gitterartigen Kompositionen bekannt, die er in den Primärfarben Rot, Gelb und Blau auf die Leinwand brachte, nachdem er zwischenzeitlich auch gebrochene Töne wie Gelbgrün und Orange eingeführt hatte. Die Primärfarben-Bilder gelten bis heute als "typisch Mondrian", als Gemälde, in denen Universum und Individuum zu einem Gleichgewicht finden.

Mondrian war nicht das einzige einflussreiche Mitglied von De Stijl. Neben Theo van Doesburg, dem Theoretiker, machte sich vor allem Gerrit Rietveld (1888-1964) einen Namen. Er übertrug Mondrians "Neoplastizismus" auf den Bereich des Designs und wirkte dadurch an der Entstehung des modernen Möbels mit. Sein "Rot-blauer Stuhl" von 1918, ein aus wenigen Elementen bestehendes, funktionales Stück, war an den Bedürfnissen der modernen Gesellschaft ausgerichtet: Serienfertigung und Erschwinglichkeit. Sein noch heute zugängliches, in die Unesco-Liste des Welterbes aufgenommenes "Haus Schröder", 1924 in Utrecht errichtet, gilt als architektonisches Manifest der Stijl-Bewegung: Ein Bauvolumen, das durch Zusammen- und Aneinandersetzung von Flächen organisiert ist.

Mondrian und Rietveld sind auf ihren Gebieten Klassiker der Moderne geworden, viel zitiert in Kunst und Architektur wie auch in Mode und Gebrauchsgegenständen. Nicht jeder hat ihnen den Erfolg gegönnt. Vor allem an Mondrian rieben sich die Geister. Der lebenslang am Prinzip Gegenständlichkeit festhaltende Österreicher Alfred Hrdlicka verspottete ihn mit einem Radierzyklus "Roll over Mondrian". Und der Satiriker Robert Gernhardt äußerte, dass kein erfolgreicher Künstler des 20. Jahrhunderts so exemplarisch gescheitert sei wie "dieser Holländer", da die Populärkultur seine Bildsprache allgegenwärtig übernehme.

Dabei ging es dem Künstler Mondrian gar nicht um Massenwirkung. Als Mitglied der Theosophischen Gesellschaft sah er in seiner Kunst eine Religion, die Staat und Familie erneuern und moralisch erhöhen würde.

(B.M.)
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