Bonn Monet aus Japan

Bonn · Eine Ausstellung in der Bonner Bundeskunsthalle zeigt 100 Meisterwerke des französischen Impressionismus von Monet bis Renoir. Sie stammen allesamt aus japanischen Sammlungen und wurden in Europa noch nie präsentiert.

Wer diese Ausstellung besucht, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Die erste Überraschung bietet sich dem Betrachter der Schau "Japans Liebe zum Impressionismus" in der Bundeskunsthalle bereits beim Eintreten. Der Blick fällt auf ein Wand-Element, auf dem nur zwei Bilder hängen: zwei Manets - denkt man. Falsch gedacht!

Beim Lesen der Beschriftungen der beiden Porträts junger Frauen stellt sich heraus, dass das Werk, das Édouard Manets "Spaziergang" gegenübergestellt wurde, nicht von einem Franzosen stammt, sondern von einem Japaner. Es ist das Gemälde "Lesende Frau" von Shintaro Yamashita, einem Künstler, der nach seinem Studium an der Kunstakademie von Tokio 1905 für fünf Jahre nach Paris ging, um sich in der westlichen Malweise ausbilden zu lassen.

Diese beiden Kunstwerke veranschaulichen die beiden Seiten der titelgebenden Liebe Japans zum Impressionismus. Manets "Spaziergang", der zum Bestand des Tokyo Fuji Art Museums in Hachioji gehört, steht exemplarisch für die Gemälde französischer Impressionisten, die sich heute in japanischen Sammlungen befinden. Die Arbeit von Shintaro Yamashita dagegen verweist auf den Einfluss der Künstler des Impressionismus auf die japanische Malerei zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Doch die Ausstellung zeigt noch mehr, als ihr Titel "Japans Liebe zum Impressionismus" verspricht. So präsentiert der zentrale Raum zu Claude Monet (1840-1926) nicht nur Beispiele der wichtigsten Entwicklungsstadien und Werkreihen der impressionistischen Phase wie Sonnenuntergänge, junge Mädchen im Boot, Heuschober, Motive seiner London-Reisen oder die berühmten Seerosenbilder. Diesen Werken stellt der Raum Monets Sammlung japanischer Farbholzschnitte gegenüber, deren Motive ihn zum Beispiel zu seinen Küstenbildern inspirierten. Es geht also nicht nur um eine einseitige Liebe Japans zum Impressionismus, sondern um eine wechselseitige Faszination und Inspiration. Während die Vorliebe der französischen Impressionisten für japanische Kunst, die zum sogenannten Japonismus führte, bekannt ist und schon mehrfach in Ausstellungen thematisiert wurde - zuletzt vor einem Jahr im Museum Folkwang in Essen -, wusste man in Europa bisher wenig über die Rezeptionsgeschichte des Impressionismus in Japan.

So zeigt die Schau in der Bundeskunsthalle, die von Atsushi Miura aus Tokio und Beate Marks-Hanßen aus Bonn kuratiert wurde, erstmals und exklusiv in Europa annäherend 100 weitgehend unbekannte Meisterwerke des französischen Impressionismus aus 30 japanischen Museen.

Die Ausstellung, die auch dokumentarische Abschnitte enthält, und der Katalog - ebenfalls eine europäisch-japanische Koproduktion - schreiben, so Bundeskunsthallen-Intendant Rein Wolfs, "ein neues Kapitel der interkontinentalen Kunstgeschichte". Denn sie erklären auch die historischen Hintergründe, wie es nach dem Eintritt Japans in den internationalen Handel in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu einer ersten Begegnung kommen konnte und später zu wechselseitigen Spiegelungen. Eine wichtige Rolle spielten dabei Sammlerpersönlichkeiten wie Kojiro Matsukata (1865-1950), der mit Claude Monet befreundet war und aus dessen Kollektion 1959 das Nationalmuseum für Westliche Kunst in Tokio hervorging. Wirtschaftliche Entwicklungen führten die Gemälde und Plastiken von Europa fort, eine grandiose Ausstellung bringt sie nun zurück. So entdeckt man in Bonn nun tatsächlich das eine oder andere unbekannte Meisterwerk.

(RP)
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