Musical-Hit "Evita" Argentina!

Seit 40 Jahren ist "Evita" eines der weltweit erfolgreichsten Musicals. Im Sommer wird Andrew Lloyd Webbers Stück in der Rheinoper gezeigt.

Evita steckt im Stau vor Wimbledon. Sie ist, echt wahr, hinter einen Trauerzug geraten. Das ist nicht ohne Ironie, weil man nun auf die Frau warten muss, die gestern Abend selbst beerdigt wurde. Sie hatten dafür einen schwarzen Sarg auf die Bühne geschoben, es gab zunächst einen großen Abgesang und anschließend - ungewöhnlich für ein Musical - ein paar leise Worte. Der Vorhang fiel, Evita war nicht mehr. "Don't cry for me Argentina" - von wegen. Ein bisschen traurig war man dann schon.

Das war am Abend zuvor gegen zehn, und nun ist es elf Uhr am nächsten Morgen, der Regisseur ist da, zwei Hauptdarsteller sind da, Evita fehlt. Als Emma Hatton dann 20 Minuten später doch noch herbeieilt, freut man sich: Sie ist so schön normal.

Im Musical "Evita", das zurzeit durch England tourt und bald zu Gastspielen nach Deutschland und in die Schweiz aufbricht, spielt Hatton die Hauptrolle, und bei der Aufführung am Vorabend im New Wimbledon Theatre war sie zuweilen larger than life, also überlebensgroß. Sie plusterte sich auf, sie machte ein großes Tamtam, und zuweilen dachte man, sie könnte jetzt auch ohne weiteres ein paar Sterne vom Himmel pflücken oder zumindest mal die Scheinwerfer von der Theaterdecke. Das dachte Eva Perón, genannt Evita, zu ihrer Zeit wohl auch. Jedenfalls mangelte es der First Lady Argentiniens damals nicht an Selbstbewusstsein, und Emma Hatton weiß das mit großen Gesten und im Glitzer-Ballkleid brillant in Szene zu setzen.

Eva Perón wurde nur 33 Jahre, sie starb bereits 1952. Vermutlich wäre Evita darum längst in Vergessenheit geraten, gebe es nicht "Evita". Das Musical erzählt vom Werden einer Ikone, vom Aufstieg eines Landeis zur machthungrigen Frau von Welt. Eva wird als uneheliche Tochter eines Großgrundbesitzers geboren, sie schlägt sich durch nach Buenos Aires, sie wird dort Radiomoderatorin, Schauspielerin und mit der Zeit angesagt. Sie lernt auf einer Benefizgala den Minister und späteren Staatspräsidenten Juan Perón kennen. Tim Rice hatte davon Anfang der 70er Jahre im Radio gehört, und gemeinsam mit seinem Kompagnon, dem Komponisten Andrew Lloyd Webber, machte er aus dem historischen Stoff einen Welterfolg. Im Juni 1978 feierte "Evita" Uraufführung in London. Wenn es im Juli in der Deutschen Oper am Rhein in Düsseldorf zu sehen ist, wird es seit bald 40 Jahren gezeigt. "Evita" ist ein Dauerbrenner - ein Musical über eine argentinische Präsidentengattin aus den 40ern. Warum bloß? "Die Menschen kommen, weil sie eine Liebesgeschichte sehen wollen, eine Geschichte über den sozialen Aufstieg. Und sie kommen wegen der wirkmächtigen Musik", sagt Kevin Stephen-Jones, der den Juan Perón gibt.

Über die aktuelle "Evita"-Auflage von Regisseur Bob Tomson hieß es in der meinungsstarken britischen Presse, es sei die beste Inszenierung des Musicals aller Zeiten. Tatsächlich ist sie sehr, sehr gut. Bemerkenswert ist, wie facettenreich Sängerin Emma Hatton die Evita gibt, wie unerschrocken sie sich eine Schneise durch die Genres schlägt. Denn das Orchester kann alles: vom Pauken-und-Trompeten-Pomp bis zur Hatz mit der E-Gitarre. "Evita" ist für Musiker und Sänger gleichermaßen eine Herausforderung. Andrew Lloyd Webber hat das Werk einst komplett durchkomponiert. Song für Song wird die Handlung vorangetrieben. Den Überhit "Don't cry for me Argentina" singt Hatton mehrmals. Evitas Gegenspieler Che ist auf der Bühne dauerpräsent. Natürlich sei das ein gewaltiger Druck, sagt Darsteller Gian Marco Schiaretti. Einmal im Scheinwerferlicht vergesse er aber alles um sich herum.

Regisseur Tomson hat sich weitestgehend an die Vorgaben der "Evita"-Schöpfer gehalten. Andrew Lloyd Webber stattete er einen Besuch ab, um sein Skript absegnen zu lassen. Tim Rice traf Tomson während eines Cricket-Matches. Der Autor schickte dann mal seine Tochter zu den Proben.

Dass Lloyd Webber und Rice strenge Vorgaben für die Darbietung ihrer Songs machen, habe sie nicht gestört, sagt Emma Hatton. "Du kannst es überhaupt nicht besser machen, als Andrew Lloyd Webber es in seinen Kompositionen vorgesehen hat." Letztendlich durfte er die Musik des Musicals aber sogar um sieben Minuten kürzen, erzählt der Regisseur. Bob Tomson hat "Evita" so noch einmal beschleunigt.

20 Mal zieht sich Emma Hatton in zwei Stunden Spielzeit um, zuweilen sogar während eines Songs. "Man gelangt während der Aufführung in einen Rhythmus", sagt sie. "Alles läuft dann wie bei einer Maschine ab." Leichter hat es da Gian Marco Schiaretti als Che. Der behält stets dieselben olivgrünen Klamotten an.

Info Der Autor wurde von BB Promotion zur Aufführung in London eingeladen.

(kl)
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