Duisburg Musik hilft Kindern beim Sprechenlernen

Duisburg · Mehr Kreativität durch Tanzen, gesteigertes Empathievermögen durch Lesen. Sechs Studien zeigen die Wirkung kultureller Bildung.

Tanzen, Musizieren, Theaterspielen, Werken - bei vielen Kindern und Jugendlichen steht mindestens eine dieser Aktivitäten auf der Hobbyliste oder gehört zu den liebsten Unterrichtsfächern in der Schule. Dabei lernen Kinder nicht nur malen oder Geige spielen, sondern entwickeln auch ganz andere Fähigkeiten wie Mitgefühl oder Kritikvermögen. Und das ist nicht nur ein subjektiver Eindruck. Studien weisen den Zusammenhang jetzt auch nach.

Die Ergebnisse eines Forschungsprojekts des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung zeigen zum Beispiel konkrete Zusammenhänge zwischen der musikalischen und sprachlichen Kompetenzentwicklung. Die Studie ist eine von insgesamt sechs Projekten, die die Wirkung von kultureller Bildung wissenschaftlich untersucht haben. Den Forschungsfonds dazu hat der Rat für Kulturelle Bildung ins Leben gerufen. 30 Wissenschaftler von zwölf Hochschulen und Instituten beschäftigten sich mit der Frage, welche Effekte kulturelle Aktivitäten haben. Über mehrere Monate begleiteten die Forscher rund 3200 Kinder, Jugendliche, aber auch Studenten und Künstler. So untersuchte ein Projekt zum Beispiel die Unterschiede in Prozessen der Wahrnehmung und Gestaltung bei professionellen Bildhauern im Vergleich zu Kunststudenten. Den Versuchspersonen wurde ein Foto, auf dem ein nicht eindeutiges Objekt zu sehen war, vorgelegt. Mittels Eye-Tracking konnten die Forscher nachvollziehen, welche Bereiche der Fotografie sich die Probanden anschauten. Im nächsten Schritt sollten die Künstler und Studenten dann das Objekt als Skulptur umsetzen. Den Wissenschaftlern fiel auf, dass die Künstler dreidimensional arbeiteten, die Studenten eher zweidimensional. Künstlerisches Gestalten fußt also auf erlernbaren Techniken.

Eine weitere Studie befasste sich mit den Effekten kultureller Bildung auf die Kreativität. Begleitet wurden dafür etwa 1100 Schüler ein Schuljahr lang. In gewissen Abständen mussten sie Aufgaben bearbeiten. "In unserer Studie konnten wir zeigen, dass Schüler, die im Verlauf des fünften Schuljahres auf die eine oder andere Weise tanz, musik-, kunst- oder theaterpädagogisch aktiv waren, sich in Teilbereichen ihrer Kreativität günstiger entwickeln konnten als Schüler, die keine kulturellen Angebote während des fünften Schuljahres besucht haben", stellt Nicole Berner von der Fachhochschule Nordwestschweiz fest. Auch Tanz- und Bewegungstheater fördern die Kreativität. Das zeigte ein Projekt an Ganztagsschulen: Grundschulkinder, besonders Jungen, verbesserten nach einem dreimonatigen Kursus ihre kreativen Fähigkeiten. Kinder aus sogenannten Brennpunktschulen konnten nach dem Workshop besser über ihre Gefühle sprechen und die der anderen besser wahrnehmen.

Das Forschungsprojekt des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung zu den Transfereffekten musikalischer Frühförderung zeigt, dass Kinder, die Rhythmen nachklatschen können und ein Gespür für musikalische Harmoniefolgen haben, auch besser Silben nachsprechen und Sätze bilden können. "Musikalische Frühförderung könnte also Kindern mit Migrationshintergrund den Spracherwerb erleichtern", erklärt Lorenz Grolig vom Max-Planck-Institut. 202 Kinder aus 15 Berliner Kitas hatte Grolig zusammen mit seinen Kollegen ein halbes Jahr lang begleitet. "Wir erforschen nun, ob auch der Leseerwerb in der ersten Klasse durch Musikförderung erleichtert werden kann", so Grolig. Auch Oberstufenschüler wurden in einer Studie beobachtet und zwar beim Lesen. Das Forschungsergebnis zeigt, dass Literatur die empathischen Fähigkeiten von Jugendlichen stärken kann. Ein anderes Forschungsprojekt kam zu dem Schluss, dass Angebote der Jugendkunstschulen das soziale Selbstkonzept der Kinder und Jugendlichen stärken und einen positiven Einfluss auf die Selbstwahrnehmung und auf Reflexions- und Kritikfähigkeit haben.

Der Rat für Kulturelle Bildung appelliert nun im Hinblick auf die Forschungsergebnisse an die Politik. Die kulturelle Bildung solle gestärkt werden und der Fokus nicht nur auf naturwissenschaftlichen und mathematischen Fächern liegen. "Schule ist ein Entwicklungsraum und nicht nur ein Ort der Aneignung von Fähigkeiten", sagt Vanessa-Isabelle Reinwand-Weiss vom Rat für Kulturelle Bildung.

(eler)
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