Opernhaus "Liceu" Musikstadt Barcelona

Barcelona · Viele Touristen wissen es gar nicht, aber Barcelona hat eine lange Tradition als Musikmetropole. Ein Schmuckstück ist das Opernhaus "Liceu".

Barcelona hat eine touristische Empfehlung eigentlich nicht nötig. Schon Mitte April, wenn die Brise vom Meer bereits frühsommerlich sanft in die Stadt weht, ahnt man auf der Rambla und an prominenten Plätzen, was sich hier in der Hauptsaison abspielen wird. Die katalanische Hauptstadt ist - ähnlich wie Amsterdam, Lissabon und Venedig - längst ein Hauptziel des Massentourismus. Schwer zu sagen, warum gruppendynamische Rituale wie Junggesellenabschiede unbedingt eine ästhetisch einzigartige Kulisse für das Kampftrinken benötigen? Statt diese wunderschöne Stadt besser den Flaneuren zu überlassen. Den friedliebenden Kunstliebhabern, die gekommen sind, um die frappierenden Bauten von Antoni Gaudí zu bestaunen, in seinem Park Güell zu lustwandeln und zwischen den Türmen der Sagrada Familia auf halsbrecherischen Brücken zu balancieren. Den Austern- und Krustentier-Essern, die auf den in paradiesischer Fülle bestückten Märkten an einfach gedeckten Tischen sitzen.

Mitte April gehört die Stadt noch den Einheimischen und einer überschaubaren Zahl an Touristen. Im Oktober soll es ähnlich sein. Längst hat sich unter den Barcelonés Widerstand gegen rüde Party-Auswüchse geregt und sich vergangenen Sommer in etlichen Kundgebungen Luft gemacht. Auch die Kulturschaffenden der Stadt machen sich Gedanken, wie sich verstärkt wieder ein anderes Publikum locken lässt. Und zwar bewusst mit einer Stärke dieser schönen Stadt, die vielen gar nicht bekannt sein dürfte. Nämlich mit ihrer ausgeprägten Musikkultur.

Ramón Agenjo ist so etwas wie der heimliche Kulturminister Barcelonas. Der umtriebige Mann ist Präsident der Fundación Damm, die der berühmten Brauerei Estrella Damm angeschlossen ist und sich neben Fußball vor allem der Kulturförderung verschrieben hat. Agenjo ist ein charmanter Netzwerker, zapft auf Empfängen das Bier selbst und hat es fertiggebracht, alle ehrbaren Musik-Institutionen der Stadt an einen Tisch zu holen, die bislang nebeneinander her und aneinander vorbei wurstelten. "Barcelona Obertura" nennt sich das Ergebnis von Agenjos Initiative, die das musikalische Image liften und die Fülle an hochkarätigen Veranstaltungen bündeln will.

Da gibt es zum einen den über 100-jährigen Palau de la Música Catalana, ein Juwel des Modernismo - die katalanische Variante des Jugendstils - mit über 2100 Plätzen unter Tiffany-Glasfenstern, das sich weiland die katalanische Chorgesellschaft Orfeó Català als repräsentativen Konzertsaal selbst erbaute. In dem trotz seiner Größe intimen Saal gastiert im April der Bariton Matthias Goerne, begleitet von Markus Hinterhäuser in der vom Künstler William Kentridge eingerichteten Inszenierung von Schuberts "Winterreise". Der Saal ist voll, nur leider haben nicht alle ihre Smartphones ausgeschaltet.

Bürgerstolz und Musikliebe errichteten auch das 1847 eröffnete Opernhaus "Gran Teatro del Liceu", das 1994 niederbrannte und nur fünf Jahre später wieder eröffnete. Dort gibt es fünf Ränge, aber keine Königsloge, denn es war und ist ein prachtvolles Opernhaus für die Bürger, und seit seiner Wiedereröffnung besitzt es das technische Innenleben eines hochmodernen Theaters.

Das Liceu ist ein Sängertempel. Stars wie Montserrat Caballé wurden hier gemacht, Placido Domingo kommt noch immer regelmäßig und gibt im April eine Serie von Vorstellungen von Verdis "Simone Boccanegra". In der ersten Staffel singt Leo Nucci - ein echter Bariton - den Korsaren und Barbara Frittoli die Amelia. Große Namen zieren hier jeden Besetzungszettel, die Regie ist eher Nebensache, aber man spielt viele internationale Koproduktionen. Im Publikum sichtet man Nerz-Stolen und schweren Schmuck.

Am Abend zuvor gab es einen konzertanten "Cäsar" von Händel mit Barockspezialisten, und auch hier spendet ein kundiges Publikum viel Jubel. Kein Wunder, Barcelona ist Heimat- und Wirkungsstätte von Jordi Savall, dem wohl eifrigsten Fährtenleser unter den Originalklang-Spezialisten.

Weiter entfernt von Rambla und Altstadt liegt der moderne Konzertbau L'Auditori mit einem großen (2200 Plätze) und zwei kleineren Sälen, der es pro Jahr auf sagenhafte 500 Vorstellungen bringt.

Barcelona hat also tatsächlich das Zeug zum Reiseziel für Musik- und Opernfreunde, denn neben dem eigenen Angebot steigen hier genau die gleichen internationalen Stars ab wie zum Beispiel in München, Berlin und Wien.

Aber da ist noch mehr: "Wir haben das Wetter", sagt Ramón Agenjo lässig.

(RP)
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