Stockholm Ölförderer ziehen Richtung Arktis

Stockholm · Die Erderwärmung verändert die Arktis. Laut einer neuen Studie des Polarzentrums der amerikanischen Universität Washington ist die Eisdecke im arktischen Becken zwischen 1975 und 2012 um 65 Prozent von einst durchschnittlich 3,59 Metern auf 1,25 Meter abgeschmolzen.

Das eröffnet in der rohstoffreichen, zwischen Norwegen und Russland im Jahr 2010 aufgeteilten nördlichen Barentssee weitere Fördermöglichkeiten für Öl. Norwegens Regierung will diese nutzen. "Nun, wo die Eiskante der Barentssee sich nach Norden verschoben hat, ist das folgerichtig", sagte die bürgerliche Ministerpräsidentin Erna Solberg.

Doch der Vorstoß ihrer Minderheitsregierung aus Konservativen und Rechtspopulisten, die von Liberalen und Christdemokraten gestützt wird, ist höchst umstritten. Die Region um den Eisrand in der Barentssee, bestehend aus kleinen und großen Eisschollen, ist ökologisch von großer Bedeutung für das Meeresleben, weil dort die Nahrungsquelle Plankton intensiv produziert wird. Fische, Meeressäuger und Seevögel halten sich gern am Eisrand auf. Käme es zu einem Ölunfall, hätte das verheerende Folgen.

Eigentlich hatten sich sämtliche im Parlament vertretenen Parteien darauf verständigt, dass die nun vor der Öffnung stehenden Gebiete wegen ihrer ökologisch sensiblen und teils einzigartigen Umwelt vor Eingriffen durch die Ölindustrie geschützt werden müssen. Doch nun wo Explorations- und Förderaktivitäten sich dort wirtschaftlich rentieren könnten, würden die guten Vorsätze einfach vergessen, so die Kritiker.

"Es ist Konsensus in der norwegischen Politik, keine Bohrungen an der Eiskante zu erlauben. Die Regierung passt die Wissenschaft an ihre wirtschaftlichen Interessen an", kritisiert Silje Lundberg vom norwegischen Umweltschutzverband Bellona. Sie wirft der Regierung "Manipulation" beim Messen der Grenze vor, um die Ölwirtschaft zu begünstigen.

Die Eisgrenze verläuft laut norwegischer Definition dort, wo die Wahrscheinlichkeit von Meereis im Monat April bei mindestens 30 Prozent liegt. Die alte, weiter südlich verlaufende Eisgrenze in der Barentssee basierte auf Werten von 1967 bis 1989. "Wir haben die gleiche Definition angewandt, welche das Parlament schon in den Jahren 2006 und 2011 als Entscheidungsgrundlage genutzt hatte. Aber mit neueren Werten", unterstreicht Umweltministerin Tine Sundtoft im öffentlich-rechtlichen Rundfunk NRK. Es sei nicht ihre Schuld, dass sich die Eisgrenze faktisch gen Norden verschoben habe.

(RP)
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