Köln Ordnung schaffen mit System

Köln · Unter dem Titel "System Design" zeigt das Museum für Angewandte Kunst in Köln "100 Jahre Chaos im Alltag".

Was hat das Sonnensystem mit U-Bahn-Plänen gemein? Was verbindet Legosteine mit dem berühmten Schweizer Messer oder Car-Sharing mit Bücher-Regalen? "Sie sind alle Teile eines Systems. Was wir als System und was als Chaos wahrnehmen, ist eine Frage von Standpunkt und Perspektive", sagt René Spitz, Kurator der Ausstellung "System Design. Über 100 Jahre Chaos im Alltag" im Museum für Angewandte Kunst (MAKK) in Köln.

Dabei schafft Design Ordnung -zumindest manchmal. Und der Systemgedanke beruht auf dem Wunsch, das Durcheinander dadurch zu bewältigen, dass man eine überschaubare Anzahl einzelner Elemente verbindet und so einen Zusammenhang herstellt.

Das bekannteste System im Design gibt es im Spielzeugladen: Lego. Klötze aus dem Holzbaukasten fallen um, wenn zu viele gestapelt werden. Die kleinen Noppen, die seit 1958 auf der Oberseite der Lego-Steine angebracht werden, gelten als Garanten eines stabilen Verbunds - mit unendlich vielen Möglichkeiten. Aber auch Möbel und Sport, Stapel-Geschirr, Espresso-Kapseln und Bewässerungsutensilien für den heimischen Garten funktionieren nicht ohne System. So sei beim Schweizer Armee-Messer der Versuch unternommen worden, eine unübersichtliche Werkzeugkiste auf kleinstem Raum zu ordnen, erklärt Spitz.

Mehr als 150 Schaustücke von rund 80 in- und ausländischen Gestaltern wie Otl Aicher, Peter Behrens, Ronan und Erwan Bouroullec, Marcel Breuer, Konstantin Grcic, Charles und Ray Eames, Egon Eiermann, Richard Buckminster Fuller, Ferdinand Kramer, Jonathan Ive, Le Corbusier, George Nelson, Verner Panton, Dieter Rams, Oswald Mathias Ungers, Massimo Vignelli und Wilhelm Wagenfeld sind in der sehenswerten Schau versammelt. Sie demonstrieren vor allem eines: Ordnungsprinzipien prägen unseren Alltag - bewusst oder unbewusst. Vom metrischen System über die DIN-Normen bis zum Betriebsschema eines Smartphones.

Stark vertreten sind Arbeiten der Ulmer Hochschule für Gestaltung, deren Lehre - so Museumsdirektorin Petra Hesse - maßgeblich zur Etablierung des Systemgedankens beigetragen hat. Dabei prägt dieser seit mehr als 100 Jahren das Design, und das wiederum pendelt stets zwischen System und Chaos. Mit der Schau thematisieren die Initiatoren auch Fragen wie: Wo sind Systeme notwendig, um Ordnung zu erzeugen, und wo entsteht gerade durch Systeme wieder neues Chaos? Da braucht jeder beispielsweise nur an Druckerpatronen zu denken, die Teil eines Marken-Systems sind, aber nicht kompatibel mit anderen. Gleiches gelte - so Spitz - für die Euro-Palette als Teil einer internationalen Logistikkette oder für das iPhone. Es lässt sich mit Laptops und iPads verbinden, aber nur mit solchen aus der Markenwelt des Unternehmens mit dem Apfel als Logo.

Manche Designs brechen laut Spitz jedoch bewusst aus dem System-Konzept aus, um sich abzusetzen. Prominentestes Beispiel: das Design der Coca-Cola-Flasche. Ihr sogenanntes autonomes Design ist so gewählt, dass es sogar bei schwacher Beleuchtung durch seine Form klar der Marke zuzuordnen ist.

Die Inszenierung der Schaustücke in drei großen Räumen und in Verbindung mit Visual-Storytelling-Elementen macht die Entstehung und Entwicklung des Systemgedankens im Design - vom Einzelobjekt hin zu einer Gesamtlösung - spielerisch erfahrbar. So kann man im MAKK beispielsweise das standardisierte Farbprogramm Natural Color System (NCS), das auf menschlichem Farbempfinden beruht, in Gestalt von 3D-Installationen bewundern. Dafür wurden von Hand kleine rechteckige NCS-Farbverläufe auf durchsichtige PVC-Folien geklebt und an einem riesigen Stahlkranz im Ausstellungsraum aufgehängt.

Auch der Kommunikations-Designer Oliver Scheibler näherte sich der Idee des Systemdesigns, indem er ein paar der gezeigten Objekte auf eine siebeneinhalb mal zwölf Meter lange Wand zeichnete. Holzpuzzles verwachsen mit Lego-Steinen und Fischertechnik; das Proportionssystem "Modulor" von Le Corbusier greift zu den Ringen der Olympischen Spiele. Scheibler suchte nach Gemeinsamkeiten. Und zur Krönung kann der Ausstellungsbesucher sich vor das Groß-banner auf die dafür vorgesehenen Fußspuren stellen, mit dem Smartphone ein Selfie machen und somit Teil des Systems werden.

(RP)
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