Neuss Egger wandelt in Rom auf Ovids Spuren

Neuss · Der Lyriker von der Raketenstation Hombroich wird als Stipendiat der Villa Massimo in Rom arbeiten.

Es hat etwas von Ironie des Schicksals. Gerade hat der im italienischen Südtirol aufgewachsene, heute auf der Raketenstation Hombroich lebende Lyriker Oswald Egger einen Essay mit dem Titel "Deutscher sein" veröffentlicht, da ereilt ihn der Ruf nach Rom — als Stipendiat der Villa Massimo. Für neun Monate wird er ab Mitte Februar in der italienischen Hauptstadt leben und arbeiten, aber eine Heimkehr ist das nicht. "Ich komme mit dem Bus", sagt der 50-Jährige lächelnd und meint damit: Er kommt so, wie die Deutschen in seiner Kindheit nach Südtirol fuhren, als Besucher: "Südtirol war damals das, was heute der Ballermann ist."

Für ihn, der sich das Heimisch-sein in Deutschland angelernt hat, aber die Verbundenheit mit Südtirol spürt, wenn er etwa in einer rumänischen Stadt über rissigen Asphalt läuft — weil das Bild zu seiner Kindheit gehört — ist Rom fremdes Terrain. Einerseits. "Und andererseits ist es mir vertraut", sagt er. Deswegen sieht er sich nicht auf Streifzügen durch die Stadt, um ihr kulturelles Leben kennenzulernen, und stellt unmissverständlich klar: "Das interessiert mich nicht!" Forschen will er, in Archiven, in die er sonst kaum reinkäme, und er setzt darauf, dass sich auch in seinem Fall zeigt, was man von der Institution Villa Massimo sagt: "Dass sie ein guter Türöffner ist."

Denn Rom ist für ihn vor allem literarisch interessant. Dort, so hofft er, kann er endlich und intensiv "diverse Beschäftigungsstränge" zusammenführen, die seit Jahren nebenher liefen — etwa altitalienische Sprachen und Religionsgeschichte. "Mein Problem ist nämlich", sagt der Lyriker, dessen Arbeiten immer auch eine genau recherchierte Auseinandersetzung mit Sprache sind, "dass ich ständig an sehr vielen Dingen arbeite". Ein praktische Aufgabe muss er dafür auch noch bewältigen: "Die ganzen Bücher einpacken, die dafür nötig sind", sagt er und lacht. Ohnehin hat Eggers Gepäck einen größeren Umfang, denn der Schriftsteller siedelt mit seiner Frau, der Künstlerin Katharina Hinsberg, und den beiden Kindern nach Rom über. Die Eltern arbeiten beide als Professoren — er in Kiel, sie in Saarbrücken —, haben aber für Rom jeweils ein Forschungssemester bekommen.

Einen wesentlichen Teil seiner Rom-Zeit wird Egger in Ovids "Fasti" investieren. Der römische Dichter (um 43 v. Chr. bis 17 n. Chr.) hatte analog zum römischen Festtagskalender jeden Monat in Gedichtform bringen wollen — sechs sind überliefert, vermutlich sind nicht mehr entstanden, weil Ovid von Kaiser Augustus aus Rom verbannt wurde. "Das ist mein Buch", sagt Oswald Egger lächelnd, "und dass ich das noch mal systematisch und poetologisch auf seine Umsetzung durcharbeiten kann, hätte ich nicht gedacht." Auch ein Grund, warum er das Stipendium der Akademie als Geschenk bezeichnet.

(RP)
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