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Düsseldorf Philosophische Popmusik: Neues Album von The Knife

Düsseldorf · Kluger Elektropop vom schwedischen Geschwisterpaar.

Diese Band will die ganze Aufmerksamkeit des Hörers, sie macht keine Musik, die man beim Bügeln weghören könnte, und wer sich auf das anspruchsvolle Album "Shaking The Habitual" einlässt, wird belohnt. Die Geschwister Karin Dreijer-Andersson und Olof Dreijer sind das schwedische Duo The Knife, ihr populärstes Stück kennen viele: "Heartbeat" wurde 2006 in der filigranen Version von José Gonzalez populär und diente als Soundtrack für jenen Werbespot der Firma Sony, in dem die bunten Bälle durch die Stadt hüpfen.

The Knife macht Elektropop, allerdings eher in der Tradition einer Industrial-Band wie Throbbing Gristle denn im Stil von Yazoo oder Depeche Mode. Das ist voraussetzungsvolle Musik. Man kann The Knife als Verwandte von Radiohead bezeichnen, sie sind digitale Intellektuelle, sie vertonen die Gegenwart, ihre Inspiration ist das, was jetzt um uns herum passiert. Nachdem vor vier Jahren das bislang letzte The-Knife-Album "Silent Shout" erschienen war, zog sich Olof Dreijer an die Uni in Stockholm zurück, er las sich ein in Gender-Theorie, hörte Vorlesungen über Geschlecht und Identität, schrieb über Foucault und kaufte die feministischen Romane von Margaret Atwood. Seine Schwester hätte gern im Hörsaal neben ihm gesessen, aber sie ging auf Tournee mit ihrem Soloprojekt: Das düstere Album "Fever Ray" war eine der Platten des Jahres 2009. Olof versorgte sie per Mail mit Leselisten, so blieben sie auf dem gleichen Stand.

"Shaking The Habitual" ist vertonte Theorie. Das mag sich anstrengend anhören, mitunter ist es das auch, etwa wenn die Dreijers in "Old Dreams Waiting To Be Realized" ein 19 Minuten langes Stück um eine einzige Note herum bauen. Aber man erlebt auch Momente wie im Eröffnungstrack des knapp eineinhalbstündigen Albums: "A Tooth For An Eye" ist eine musikalische Landschaft, die noch nicht kartiert wurde, da entsteht zwischen mächtigen Bässen und nervösen Beats etwas Neues. Die Stücke passen zumeist in kein Song-Schema, Ambient-Exkursionen finden sich dort ebenso wie die wüsten Techno-Experimente aus den Berliner Clubs. Selten hörte man etwas so Anmaßendes, Gedankenüberfrachtetes und Anregendes.

Die Texte handeln von der Krise des Euro, von weiblicher Gegenwehr und Protest, und sie zitieren die genannten Denker sowie Musiker-Kollegen von Fugazi bis Salt 'n' Pepa. Popmusik wird heute zumeist benutzt, um die Wirkung eines anderen Sinneseindrucks zu verstärken. "Shaking The Habitual" fordert die volle Konzentration: ein selbstbewusstes Kunstwerk.

(RP)
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