Sprechstunde Tim Niehues Prognose bei Mukoviszidose immer besser

Warum bei manchen kränklichen Kindern mit auffälligen Symptomen ein Schweißtest sinnvoll ist.

Unsere Leserin Anne F. aus Geldern fragt: "Unser siebenjähriger Sohn sieht ziemlich kränklich aus. Jetzt meinte der Kinderarzt, es könne sich um Mukoviszidose handeln, und er wolle den Salzgehalt des Schweißes bestimmen. Ist das sinnvoll?"

Tim Niehues Ein Hauptaugenmerk der Eltern und des Kinderarztes bei der Betreuung von Kindern gilt dem Wachsen und der Gewichtszunahme. Hat ein Kind chronische Durchfälle, eine chronische Entzündung der Nasennebenhöhlen oder wiederkehrende Lungenentzündungen, so kann eine Mukoviszidose oder Zystische Fibrose die Ursache für fehlendes Gedeihen sein. Übersetzt heißt Mukoviszidose "Erkrankung des zähen oder klebrigen Schleimes". Durch die vererbte Veränderung eines Chloridkanals in Zellen werden die Sekrete der Drüsen besonders zäh und klebrig und behindern die Funktion von Organen, die von der Sekretproduktion besonders abhängig sind. In der Lunge dient das Bronchialsekret zur Reinigung, und in Bauchspeicheldrüse und Darm wird das Sekret zur Verdauung gebraucht. Eine harmlose Folge des defekten Chloridkanals ist eine erhöhte Salzkonzentration im Schweiß. Jeder Mensch besitzt zwei Anlagen (Allele) für ein Merkmal (etwa den Chloridkanal). Tragen beide Eltern jeweils eine Anlage für einen defekten Chloridkanal, so erkrankt das Kind dann an einer Mukoviszidose, wenn es von beiden Elternteilen gerade jeweils die Anlage zur Mukoviszidose vererbt bekommt (sogenannter autosomal rezessiver Erbgang). Die Erkrankung betrifft etwa 1:2000 Neugeborene in Deutschland. Wie kann man eine Mukoviszidose bei einem Kind feststellen? Hierzu dient der Schweißtest. Beim Schweißtest wird ein mit Pilocarpin getränkter Tupfer auf die Haut gelegt, um die Schweißbildung beim Säugling zu verstärken. Dann werden Elektroden auf der Haut angelegt, die einen leichten Strom verursachen, der ein leichtes Kribbeln und ein Wärmegefühl erzeugt; der Test tut nicht weh. In einem Behälter wird der Schweiß gesammelt. Im Schweiß wird die Chlorid-Ionen- Konzentration bestimmt. Ist sie zu hoch, besteht der dringende Verdacht auf eine Mukoviszidose. Die Behandlung der Mukoviszidose ist eine Erfolgsstory in der Kinderheilkunde. Während noch in den 70er Jahren Kinder selten das Erwachsenenalter erreichten, so ist das heute die Regel. Manche Mukoviszidose-Patienten laufen Marathons. Heute diskutieren wir mehr darüber, wie wir Patienten gut aus der kinderärztlichen in die internistische Behandlung überführen können, als über Überlebenschancen. Es werden Medikamente entwickelt, die vielleicht sogar den Gendefekt korrigieren können. Bis dahin steht bei der Behandlung insbesondere die Unterdrückung der wiederkehrenden Entzündungen der Lunge im Vordergrund. Die Entzündung wird durch die ständige bakterielle Besiedlung verursacht; die Bakterien fühlen sich im zähen Schleim besonders wohl. Dagegen aggressiv mit hoch dosierten und gleichzeitig mehreren Antibiotika vorzugehen, hat die Überlebenschancen der Patienten wesentlich verbessert. Die Kinder müssen aktiv eine Atemgymnastik betreiben, um den zähen Schleim aus den Lungen herauszubewegen und das Abhusten zu erleichtern. Sport ist hier eine wichtige Unterstützung. Mukoviszidose-Kinder haben einen extrem hohen Kalorienbedarf und brauchen eine spezielle, hochkalorische Ernährung. In vielen Ländern (aber noch nicht in Deutschland) ist bereits das Neugeborenen-Screening auf Mukoviszidose eingeführt. Inwieweit dies einen Vorteil für die dann entdeckten Kinder darstellt, ist noch nicht klar. Es ist vorstellbar, dass eine frühzeitige Diagnose der Erkrankung und Verhinderung von Eintreten von Organschäden die Prognose noch weiter verbessert.

Professor Tim Niehues ist Direktor der Kinderklinik am Helios-Klinikum Krefeld.

(RP)
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