Bochum Frank Goosen macht Wattenscheid zur Filmstadt

Bochum · Der Roman "Radio Heimat" des Ruhrgebietsautors wird zurzeit verfilmt. Der Film spielt im Ruhrgebiet der 1980er Jahre und erzählt von vier Jungen in der Pubertät. In Bochum wurde in einer Kneipe gedreht.

An diesen Orten entsteht die Zukunft NRWs
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Foto: Bayer/Dirk Hansen

Dieser Film wird die besten Szenen nicht zeigen, weil sie sich 15 Meter hinter der Kamera abspielen. Dort nämlich stehen in der Einfahrt eines türkischen Bäckers die Anwohner aus Wattenscheid, die sich schon am Vorabend gewundert hatten, dass sich Menschen an der Kneipe auf der anderen Straßenseite zu schaffen machten. Als sie nun am Morgen aufwachten und aus dem Haus gingen, war das Filmteam da. Mit Wohnmobilen, LKW, Catering-Service, das volle Programm. Die ganze Straße haben sie zugeparkt. Mannomann.

"Der Martin Semmelrogge hat ja mal die Straße hochgewohnt, überm Metzger", sagt eine Dame. Vielleicht sei das der Grund, warum sie nun ausgerechnet in Wattenscheid drehen, spekuliert sie. Gedreht wird hier "Radio Heimat", nach dem gleichnamigen Buch von Autor Frank Goosen. Es sollen aber auch Kapitel aus "Mein Ich und sein Leben" einfließen, das hat Goosen auch geschrieben.

In einer Kneipe, die zwischen der Pizzeria Piccolo und dem Nikolaus-Grill liegt und "Zum Bürgerkrug" heißt, hat das Team seine Kameras aufgestellt. Die Schenke haben sie für den Kinofilm umbenannt, sie heißt jetzt "Zum Sportfreund". Es gibt ein Holzschild in Sepiatönen, dass am Vorabend über der Tür angebracht wurde. "Das soll auf alt gemacht sein", sagen die Anwohner. Als eine Passantin vorbeikommt, fragen sie: "Und, schon 'n Promi gesehen?" "Den Hoenig", sagt die Frau und geht weiter. Heinz Hoenig spielt auch mit.

"Radio Heimat" spielt im Ruhrgebiet der 1980er Jahre und erzählt von vier Jungen in der Pubertät. Gedreht wird seit Anfang Juli zwischen Dortmund und Essen. Die Kneipe in Wattenscheid hätten sie ausgewählt, weil sie dort nicht viel umbauen mussten, sagt Regisseur Matthias Kutschmann. Sie sah schon nach den 80ern aus, bevor das Filmteam kam. Am Tresen hängen blasse Fußball-Wimpel vom VfL Bochum und der Sportgemeinschaft Wattenscheid. Auf den Tischen stehen Knobelbecher und Biergläser. Die Jungs hätten die Schule geschwänzt, erzählt Kutschmann, und seien bei Wirt Siggi eingekehrt - diese Szene haben sie gerade abgedreht.

Wenn der Film 2016 in die Kinos kommt, wird er im Ruhrgebiet ganz sicher zum Kassenschlager und vielleicht auch darüber hinaus. Manche spekulieren schon auf einen Nachfolger von "Bang Boom Bang", die Ruhrgebiets-Komödie von Peter Thorwarth wird seit 15 Jahren jeden Freitagabend in einem Bochumer Kino gezeigt.

Thorwarth gehört zu den Co-Produzenten von "Radio Heimat". 500 000 Euro gibt die nordrhein-westfälische Filmstiftung für die Produktion, die bis auf eine Szene, die am Meer spielen wird, ausschließlich in NRW stattfindet. Ralf Richter, Peter Lohmeyer und, ja, auch Martin Semmelrogge spielen mit, so wie jeder andere Schauspieler aus dem Ruhrgebiet.

Ingo Naujoks trägt Schnurrbart und Schiebermütze. Er ist beim Dreh in Wattenscheid nur an seiner kratzigen Stimme zu erkennen, und damit das so bleibt, raucht er erstmal eine. Im Film gehe es um "das erste Glas Bier, den ersten Joint, die erste Liebe. Das ist der Plot von dem Ganzen", sagt er in einer Drehpause. Es soll ein Coming-of-Age-Film werden, also einer übers Erwachsenwerden.

Es geht auch um Frank Goosen, den Autor und Kabarettisten, der nicht am Drehbuch mitgeschrieben hat und auch das Filmset nur ausnahmsweise besucht. Aber die Hauptfigur im Film heißt Frank, und das ist kein Zufall. Auch Goosens Großmutter, die er "Omma" nennt, wird in "Radio Heimat" vorkommen und von Anja Kruse gespielt. Der Autor findet, das ist "eine tolle Sache". Auch wenn sich Oma und Anja Kruse nicht ähnelten.

2016 werde auch sein "Sommerfest" von Sönke Wortmann verfilmt, und die Ufa nehme sich "So viel Zeit" vor, erzählt Goosen. Dass nun Geschichten aus dem Ruhrgebiet zum Filmstoff werden, sei eine Nachwehe der Kulturhauptstadt-Zeit vor fünf Jahren, glaubt er. Das Ruhrgebiet sei noch nicht so verbraucht.

Am Nachmittag zieht das Team weiter in den Bochumer Stadtgarten. Ingo Naujoks trägt nun Uniform zum Schnurrbart. Sie drehen ein Grubenchor-Konzert. In Wattenscheid hat sich die Aufregung gelegt. Die Nachbarn sind längst heim.

(RP)
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