Ausstellung zeigt Totenköpfe "Schädelkult" in Mannheimer Museen

Mannheim (RPO). Ob als Reliquie, Trophäe oder Mode-Accessoire - die Präsentation des menschlichen Totenschädels war zu allen Zeiten Thema in vielen Kulturen. Mit der Ausstellung "Schädelkult" widmen sich die Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen (rem) vom 2. Oktober 2011 bis 29. April 2012 diesem Thema. Präsentiert werden mehr als 300 Exponate aus unterschiedlichen Kulturkreisen.

Der mögliche Urahn von Mensch und Affe
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Foto: AP

Nach Angaben von Kurator Wilfried Rosendahl gab es das Phänomen des Schädelkults schon, bevor der heutige Mensch, der Homo sapiens, auf die Idee kam, skelettierte Köpfe geliebter Ahnen oder erbitterter Feinde zu sammeln. Das älteste Exponat der Mannheimer Ausstellung - eine Schale aus dem Schädel eines Neandertalers, die Archäologen nahe Koblenz gefunden haben - ist schätzungsweise 150.000 Jahre alt.

Schädel wurden bei Grabungen auf Ritualplatz gefunden

Um den Besuchern sämtliche Facetten des Schädelkults nahezubringen, haben die Organisatoren unter anderem kunstvoll geschmückte Kopfjäger-Trophäen und religiös verehrte Schädelreliquien zusammengetragen. Darunter sind Schädel, die bei Grabungen in Herxheim gefunden wurden und von einem Ritualplatz stammen, der schätzungsweise 5.000 vor Christi angelegt wurde.

"Der Schädelkult ist ein universelles Menschheitsthema, dass es zu jeder Zeit auf allen Kontinenten gab", sagt der Kurator. Auch die Mumien-Ausstellung 2007/2008 in Mannheim hatte Rosendahl organisiert. Mit der Ausstellung "Schädelkult" setzen sich die Reiss-Engelhorn-Museen nun erneut mit dem Thema Tod auseinander. "Ein Totenkopf erinnert an unsere Endlichkeit", sagt Rosendahl. Daher sei die Ausstellung auch mit Blick auf den gesellschaftlichen Umgang mit dem Thema Tod relevant.

Schädel werden im wissenschaftlichen Kontext gezeigt

Dabei gehe es nicht um Effekthascherei, betont Rosendahl: "Uns ist es schon aus ethischen Gründen wichtig, die Schädel in einem wissenschaftlichen Kontext zu zeigen und nicht etwa als Objekte der Sensationslust."

Professor Kurt W. Alt vom Institut für Anthropologie der Uni Mainz räumt ein, es handle sich durchaus um ein heikles Thema. "Zwar gibt es eine grundsätzliche Akzeptanz für die Bearbeitung menschlicher Überreste aus der Vergangenheit. Allerdings kommt es doch sehr darauf an, dass Museen und Forscher ihrer Verantwortung gerecht werden", sagt der Experte, der die Mannheimer Ausstellungsmacher wissenschaftlich berät. Der Umgang mit historischen menschlichen Überresten könne zwar nicht bis ins Detail reglementiert werden, doch der archäologische Kontext müsse gewährleistet sein.

Schädel von Descartes als Ausstellungsstück

Ausgestellt wird unter anderem der Schädel des französischen Philosophen René Descartes (1596 -1650). Dessen Grundsatz "Ich denke, also bin ich" sei so etwas wie die inoffizielle Überschrift der Schau, sagt Rosendahl: "Dieser Satz ist die wohl prägnanteste Zusammenfassung für den Stellenwert des menschlichen Kopfes."

Weil Kopf und Gesicht für die Persönlichkeit eines Menschen stünden, hätten beispielsweise keltische Krieger die Schädel ihrer Feinde als Trophäe gesammelt, hätten Verwandte die Schädel ihrer Ahnen als Reliquien verehrt. Doch wer glaube, der Schädelkult sei typisch für primitive Gesellschaften, der liege falsch, betont der Kurator.

Schädelkulte gab es auch in Europa

Gerade in Europa gab es über Jahrhunderte einen Schädelkult. Kunstvoll bemalte Köpfe in Beinhäusern wie im österreichischen Hallstatt zeugen ebenso von der Schädelverehrung wie angebetete Reliquien von Heiligen in den Kirchen. Nicht selten musste der Schädel auch für skurrile wissenschaftliche Theorien herhalten. Der Arzt Franz Joseph Gall etwa (1758 -1828) begründete die Lehre der Phrenologie, wonach sich angeblich anhand der Schädelform die Charaktereigenschaften ablesen lassen. In Mannheim wird jener "gallsche Schädel" gezeigt, den Johann Wolfgang Goethe besaß.

Die Wiederentdeckung der Schädelsammlung des Künstlers und Darwinisten Gabriel von Max (1840 -1915) im Jahr 2008 habe die Gelegenheit für die Mannheimer Ausstellung zum Schädelkult gegeben, berichtet Rosendahl. Es ist eine der größten Sammlungen dieser Art, die Objekte aus sämtlichen Kontinenten umfasst. Die Sammlung war 1917 in den Besitz der heutigen Reiss-Engelhorn-Museen gelangt, ging aber im Zuge eines Austausches 1935 zunächst verloren.

(DAPD/felt)
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