Schöpfkellen voller Glück

Wer in Skandinavien lebt, ist von vielen schönen Dingen umgeben. Davon profitiert auch der Rest der Welt.

Wie Ikea aus Schweden die Ästhetik unseres Wohnens lenkt

Wenn man an skandinavisches Wohnen denkt, fällt einem sofort das schwedische Einrichtungshaus Ikea ein. Ingvar Kamprad gründete es 1943 und überzeugte mit schlichten, hellen, lebendigen Möbeln. Die Ära der dunklen Massivholzschränke und lackierten Sekretäre war beendet. Klassisch skandinavisch heißt für Ikea: klare Linien, naturnah und praktisch. Die Einrichtungsstücke sollen Komfort zu erschwinglichen Preisen bieten und so vielen Menschen wie möglich zugänglich sein. Die Kunden sind begeistert, sofern ihnen nicht wieder mal ein Inbus-Schlüssel fehlt.

Rechnen Sie auf der Straße immer mit einem Elch!

Kommst man in Göteborg mit der Fähre aus Dänemark an und will nach Stockholm, so merkt man gleich, dass in Skandinavien die Uhren anders ticken. Das hat mit dem Tempolimit zu tun. Es kann einen ermüden, wenn man weite Strecken fährt, aber weil man beispielsweise im hohen Norden immer mit Tieren rechnen muss, die die Straße kreuzen, fahren die Skandinavier vorsichtig. Obacht: Polizeikontrollen an jeder zweiten Milchkanne.

Kunst für den Teller aus Kopenhagen

Das "Noma" in Kopenhagen gilt als bestes Restaurant der Welt. Es hat zwar nur 45 Plätze, aber es ist so berühmt, dass kürzlich sogar ein Dokumentarfilm über das Haus ins Kino kam. Serviert wird dort ausschließlich, was man zur jeweiligen Jahreszeit in kleinem Umkreis ernten oder finden kann. Und weil es um Dänemark geht, sind das im Winter halt Knollen, Runkelrüben, Wurzeln und vergorenes Blut. Küchenchef René Redzepi serviert Apfel im eisgefüllten Einweckglas, lebende Ameisen, Blütentorte, mit Waldmeister geräucherte Soleier und frittiertes Moos. Kunst für den Teller.

Rückzugsort für Ruhebedürftige: das Häuschen am See

In Finnland hat fast jeder eines, und wer keines hat, der kennt jemanden, der es ihm vermietet: das Häuschen am See, Mökki genannt. Dort genießen die Finnen die Ruhe, das Paddeln im Bötchen, das Angeln. Und vor allem die Einsamkeit. Wer in zwei Kilometern Entfernung wohnt, gilt als aufdringlich naher Nachbar. Diese Weite spüren alle Menschen in Skandinavien, weil Flora und Fauna nicht mehr sehr abwechslungsreich sind. Birken. Wasser. Mücken. Manchmal ist es auch schön, sich Skandinavien aus der Ferne zu nähern: Auf diese Perspektive schwören seit vielen Jahren treue Reisende, die mit Postschiffen an Norwegens Küste entlangschippern und voller Andacht die Urgewalt der Fjorde erleben.

Singen in Trachten: Schwedens vielgerühmte Chorkultur

Die Chorkultur in Skandinavien gilt als beispielhaft, in jedem Dorf wird mehr gesungen als hierzulande. Das hat eine jahrhundertealte Tradition, die noch heute gepflegt wird. Der schwedische Rundfunkchor gilt noch heute als der beste der Welt, was sicher an seinem langjährigen Zuchtmeister lag, dem fast mythischen Dirigenten Eric Ericson. Auch jenseits dieser absurd hohen Messskala ist Singen in Schweden immer auch mit einem Leistungsgedanken verbunden, es geht nicht nur um Geselligkeit, sondern auch um Qualität. Die gelingt, weil der Musikunterricht in Schweden eine höhere Wertigkeit besitzt als bei uns. Notenlesen? In Schweden kann das fast jeder. Dass Ikea noch keine Klaviere anbietet, wundert uns ein wenig.

Warum Finnland das Grundeinkommen riskiert

Finnland wagt ein sozialpolitisches Experiment. Seit Anfang Januar zahlt es 2000 zufällig ausgewählten Arbeitslosen anstelle der üblichen Sozialleistungen für zwei Jahre 560 Euro monatlich. Daran sind keine Bedingungen geknüpft, aber große Hoffnungen. Der finnische Staat verspricht sich sinkende Arbeitslosenzahlen; Befürworter eines "bedingungslosen Grundeinkommens" erhoffen sich nicht weniger als eine Revolution. Seit einigen Jahren wird ein Grundeinkommen rege diskutiert. Mal wird es als Utopie abgetan, dann wieder als gesellschaftliches Zukunftsmodell dargestellt. Die Entscheidung der finnischen Regierung könnte dem Thema auch hier Auftrieb verschaffen.

Sauber, gesund, gesellig: Warum die Skandinavier gern saunieren

"Haben Sie auch eine finnische Sauna?", fragt mancher Hotelgast an der Rezeption in - sagen wir: Bamberg. Er hat nur etwas von "Wohlfühllandschaft im Untergeschoss" gelesen. Da haben es die Skandinavier besser: Sie alle haben eine Sauna, sogar in Mietshäusern. Immer schon war die Sauna sozusagen das Badezimmer und somit der sauberste Raum der Finnen, weswegen dort auf dem Land noch heute Kinder geboren werden. Es geht weniger ums Schwitzen als um Hygiene, Gesundheit und um Geselligkeit. Und um einen nordischen Aspekt des Kneippen: Mancher springt nach der Sauna direkt in ein Eisloch seines zugefrorenen Sees.

Die Finnen gelten als die Musterschüler Europas

In den Pisa-Statistiken waren sie immer die Musterschüler Europas, und selbst wenn diese Gipfelstürmerei jüngst ein wenig in die Schranken gewiesen wurden, so bestechen einige Aspekte des finnischen Schulsystems noch heute. Kleine Lerngruppen. Frühe Nähe zur Praxis. Die Sprachkompetenz der Finnen kommt übrigens in der Freizeit zustande: Im dortigen Fernsehen wird nichts synchronisiert, was angesichts der gutturalen Kantigkeit des Finnischen auch schwer vorstellbar ist. Das heißt, jeder sieht seine eigene Sprache in korrekter Aussprache als Untertitel und hört das unverfälschte Original.

Wirklich tolle Anziehsachen aus Dänemark und Schweden

Skandinavien ist die wichtigste Moderegion Europas geworden - zumindest, was alltagstaugliche Kleidung betrifft. H&M ist ja längst so etwas wie das Ikea des Strick- und Nähwesens, außerdem sind da COS und Filippa K. Mode aus Skandinavien ist unkompliziert, sie hat klare Formen, sie wirkt sauber. Man sehe sich nur mal Stücke von Malene Birger an. In den einschlägigen Modeblogs gewinnt man ohnehin den Eindruck, die wirklich coolen Sachen kommen nur noch aus Schweden und Dänemark: Acne, & other stories und Monki heißen die einschlägigen Labels. Und kaum eine Gitarrenband kommt mehr ohne die engen Hosen von Cheap Monday aus.

Hygge und die Kunst der Innigkeit

Manche nennen es ganz schnöde Umarmung, andere - wie etwa die Dänen - sagen dazu Hygge und meinen damit eigentlich das Universum ihres Glücks. Meik Wiking, er ist Glücksforscher aus Kopenhagen, sieht in Hygge vielmehr eine "Kunst der Innigkeit". In ihr verborgen liegt eine nordische Achtsamkeit. Und so ist Hygge etwas anderes als Gemütlichkeit oder gar wohlige Einsamkeit; es umschreibt ein soziales Phänomen - wie die Unterhaltung mit Freunden abends am Tisch oder gemeinsames Spielen. In einer sich hurtig wandelnden Welt dokumentiert Hygge ein menschliches Bedürfnis: das nach Vertrauen und Sicherheit. Schöne alte Welt.

(RP)
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