Studie: Späte Väter ein Risiko fürs Kind

Männer sind bis ins hohe Alter zeugungsfähig. Aber ab etwa 50 ist eine Weitergabe defekten Genmaterials möglich.

Die Ärzte im Krankenhaus von Delhi lachen, als ihnen Ramjeet Raghav sein Alter berichtet. Denn er zählt 96 Lenze – und seine Frau Shakuntala hat gerade sein zweites Kind zur Welt gebracht: einen kerngesunden Jungen. Das sind für die immer größer werdende Schar später Väter in Deutschland sicherlich ermutigende Nachrichten. Genau wie die Nachwuchsmeldungen bei Prominenten wie Fritz Wepper, Jean Pütz oder Ulrich Wickert. Mittlerweile haben fünf Prozent aller Neugeborenen einen Papa jenseits der 50, der in der Regel davon ausgeht, dass sein Nachwuchs gesund sein wird. Doch sollte er nicht zu optimistisch sein. Denn auch wenn Männer prinzipiell bis ins hohe Alter hinein zeugungsfähig sind, ist die späte Vaterschaft für den Nachwuchs durchaus ein Risiko.

"Die Gesellschaft hat sich auf das Alter der Mutter fokussiert", erklärt der isländische Genetiker Kari Stefansson. "Doch wenn man vom Down Syndrom absieht, liegen die großen Risiken für den Nachwuchs, wie etwa bei Erkrankungen wie Schizophrenie und Autismus, im Alter des Vaters." Der Grund: Die Gesetze der Genetik gelten auch für Männer, und dies bedeutet, wie der skandinavische Wissenschaftler in der Zeitschrift "Nature" weiter ausführt, "dass gerade sie Mutationen an den Nachwuchs weitergeben". Denn während die Eizellen einer Frau zusammen mit ihr altern, bilden sich die Keimzellen des Mannes immer wieder neu. Die für die Spermienproduktion zuständigen Stammzellen müssen sich also immer wieder neu teilen. Beim 50-jährigen Mann haben sie fast 900 Teilungen hinter sich, und weil bei jeder einzelnen davon das Erbgut fehlerhaft kopiert und aufgeteilt werden kann, heißt dies letzten Endes: Je älter der Mann, umso größer das Risiko, dass er seinem Nachwuchs defektes Genmaterial mitgibt. Ein 20-jähriger Vater überträgt ungefähr 25 neue Mutationen auf sein Kind, beim 40-Jährigen sind es schon 65. "Und wir glauben, dass sich die Rate jenseits des 40. Lebensjahres noch weiter erhöht", so Stefansson. Meistens bliebe das ohne Folgen, es erhöhe sogar die genetische Vielfalt. Manchmal aber auch nicht.

Stefansson und sein Team entschlüsselten das Erbgut von 78-Eltern-Kind-Paaren, und dabei konnten sie 97 Prozent der bei den Kindern auftretenden Mutationen über das Alter der Väter erklären. Wie sich das konkret auf ein bestimmtes Krankheitsrisiko auswirken kann, zeigt das Beispiel des Autismus. "Seit 1970 hat die Zahl der älteren Väter in den Industrienationen rapide zugenommen", berichtet Stefansson, "und die Zahl autistischer Störungen hat sich fast parallel dazu entwickelt." Ähnliche Zusammenhänge werden mittlerweile auch für Schizophrenie und Depressionen vermutet. Was für den Evolutionsbiologen Alexej Kondrahov von der University of Michigan nicht erstaunlich ist: "Denn im Gehirn werden mehr Gene abgelesen als in jedem anderen Organ." Wenn also bei der männlichen Keimzellenentwicklung ein genetischer Defekt passiert, dürfte er sich vor allem im Gehirn und damit auch im Verhalten bemerkbar machen.

Australische Forscher fanden sogar Hinweise darauf, dass der von älteren Vätern gezeugte Nachwuchs in der Intelligenzentwicklung zurückbleibt. Das familiäre Erziehungs- und Bildungsmilieu kann man als Ursache dafür getrost ausschließen. Denn ältere Väter sind meistens finanziell und bildungsmäßig gut ausgestattet, und sie beschäftigen sich in der Regel auch besonders intensiv und konstruktiv mit ihren Kindern. Dass diese trotzdem einen geringeren IQ entwickeln, muss also wieder mit dem geschädigten Erbgut im altväterlichen Keimzellenbestand zu tun haben.

Eine späte Vaterschaft ist also für das Kind durchaus problematisch. Der russische Evolutionsbiologe Alexey Kondrahov rät daher Männern, ihr Sperma bereits in frühen Jahren für einen späteren Einsatz einzufrieren. Die Samenzellen verlieren zwar während ihres Kälteschlafs etwas an Beweglichkeit, doch sie bleiben durchaus fruchtbar. Im Mai 2004 kam in Manchester ein Baby zur Welt, das aus 21 Jahre altem Sperma gezeugt worden war.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort