Teilchenbeschleuniger Die "Weltmaschine" läuft wieder

Genf · Wie funktioniert das Universum? Der Weltraum stellt die Menschheit noch immer vor große Rätsel. Antworten soll der größte Teilchenbeschleuniger der Welt liefern. Die Wissenschaft macht sich auf die Suche nach den Higgs-Teilchen.

Fragen und Antworten zum Teilchenbeschleuniger LHC
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Foto: CERN

Morgen für Morgen um 09.30 Uhr haben sich Techniker und Physiker beim größten Teilchenbeschleuniger der Welt dieselben Fragen gestellt: Ist "das Biest" bereit? Können wir wieder Protonen auf die 27 Kilometer lange unterirdische Ringbahn schicken? Mehrfach hielten technische Zipperlein den Neustart des Large Hadron Collider (LHC) auf. Doch Ostersonntag war es soweit. Nach gut zweijähriger Bauzeit passierte wieder ein Teilchenstrahl den runderneuerten LHC. Knapp drei Jahre nachdem dort das Higgs-Teilchen entdeckt worden war - der wichtigste Baustein im Standardmodell der Materie, der deshalb manchmal auch "Gottesteilchen" genannt wird.

Während Papst Franziskus in Rom mit Tausenden Pilgern die Ostermesse feierte, begann zwischen dem französischen Jura und dem Genfer See eine neues Zeitalter der Erforschung des Universums. Von tiefer Symbolik vielleicht, aber Zufall, wie Cern-Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer versichert: "Wir hatten diskutiert, ob wir es über Ostern machen sollen oder nicht, aber wir haben dann gesagt: Jetzt haben wir solange gearbeitet, da machen wir keine Pause, sondern einfach weiter."

Bis die Teilchenstrahlen im LHC mit der nun mit erstmals möglichen Kollisionsenergie von 13 Teraelektronenvolt (TeV) - fast doppelt so viel wie bisher - aufeinanderprallen, werden nach Schätzung von Heuer noch rund zwei Monate vergehen. "Bis dahin werden wir unser "Biest" kalibrieren und zugleich die Strahlen stufenweise intensivieren und beschleunigen." In den Zerfallsprodukten der dann wieder gezielt herbeigeführten Kollisionen suchen die Forscher nach bislang unbekannten oder nur theoretisch vorhergesagten Teilchen.

Mit dem Nachweis des Higgs-Teilchens im Juni 2012 war das bisherige Standardmodell der Materie komplett. Doch mit diesem Theoriegebilde lässt sich das All nur zu sehr eingeschränkt erklären. "95 Prozent des Universums verstehen wir nicht, das sind Dunkle Materie und Dunkle Energie", sagt die Italienerin Fabiola Gianotti, die den Deutschen Heuer 2016 an der Spitze des Cern ablösen wird.

Der Teilchenbeschleuniger LHC
22 Bilder

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Nun hoffen die Wissenschaftler am Cern sowie an mit ihm verbundenen Forschungseinrichtungen in aller Welt auf Entdeckungen im LHC, die weiterführende, teils erheblich kompliziertere Theorien über Zusammensetzung und Funktionsweise des Universums bestätigen oder auch widerlegen. Dazu gehört die Supersymmetrie, kurz "Susy". Diese Theorie würde Lücken im Standarmodell und damit im Verständnis der Grundlagen unserer Welt schließen helfen. "Wir schauen, was wir mit dem LHC entdecken werden und überlegen dann, was dies für künftige Theorien zum Aufbau der Welt bedeutet", sagt Gianotti.

Neue Erkenntnisse werde man allein schon dadurch gewinnen, dass die Teilchenstrahlen bald mit erheblich größerer Energie als bisher aufeinander losgejagt werden können, meint Heuer. "Alles, was wir dann messen, ist quasi neu." Wann aber der Durchbruch zu einer wirklich neuen Physik gelingt, wann Brüder oder Schwestern des Higgs-Teilchens entdeckt werden, hänge längst nicht nur von der Kollisionsenergie ab. "Es kann sein, das es um äußerst seltene Prozesse geht, bei denen man sehr lange braucht, um sie überhaupt statistisch signifikant erzeugen zu können."

So viel scheint aber sicher: Die Physik steht an der Stufe einer neuen Ära mit äußerst spannenden Experimenten. Dabei ist die Laufzeit des erneuerten LHC langfristig für recht lange Zeit geplant worden - immerhin bis 2035. Und allein schon für den Fall, dass die Forscher bis dahin nichts finden, laufen längst Planungen für einen gänzlich neuen, wiederum erheblich leistungsstärkeren Teilchenbeschleuniger.

(dpa)
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