Teilchenbeschleuniger LHC soll den Durchbruch schaffen

Genf Der Super-Teilchenbeschleuniger LHC des Kernforschungszentrums CERN bei Genf hat nach der Winterpause wieder Fahrt aufgenommen – und gleich einen neuen Rekord aufgestellt: Man habe eine Energie von acht Tera-Elektronenvolt erreicht. Was zunächst unverständlich klingt, bedeutet an sich nur: Noch nie kollidierten Elementarteilchen, die Protonen, bei einem kontrollierten Experiment mit so einer hohen Energie. Dabei ist das nur ein Zwischenschritt. Denn das LHC will eigentlich mit 14 Tera-Elektronenvolt fast das Doppelte erreichen.

Und je höher die Energie, desto tiefer können die Physiker in das blicken, was die Welt eigentlich zusammenhält. Und irgendwo in dem Wust von Daten soll sich genau das verstecken, was den Teilchen Masse verleiht: das ominöse Higgs-Boson, das immer wieder auch als Gottesteilchen bezeichnet wird. Nach der 1964 von dem britischen Physiker Peter Higgs entwickelten Theorie ist dieses Teilchen dafür verantwortlich, dass alle Materie Masse hat. Es ist so, als ob die Teilchen in einem Meer schwimmen, dem Higgs-Feld. Manche gleiten problemlos hindurch. So wie Lichtteilchen, die Photonen, die masselos sind und – wie der Name schon sagt – Lichtgeschwindigkeit erreichen. Andere dagegen – wie die Protonen, mit denen man am LHC experimentiert – gleiten nicht durch dieses "Meer", sondern pflügen sich mühsam hindurch. Sie haben Masse, weil sie über das Higgs-Boson stärker an das Higgs-Feld, also dem "Meer", koppeln als die Lichtteilchen.

Die Idee klingt nicht nur schlüssig, sie würde auch gut in das Standard-Modell der Teilchenphysik passen. Sie hat nur einen Schönheitsfehler: Bislang entdeckt wurde das Higgs-Boson nicht. Und eben das ist eine der Hauptaufgaben des Super-Teilchenbeschleunigers LHC des Kernforschungszentrum CERN bei Genf.

In den vergangenen Jahren konnten die Forscher dabei erste Erfolge vermelden: Sie haben den Energiebereich eingegrenzt, in denen sich das Higgs-Boson verstecken kann. Dieses Jahr wollen sie den Durchbruch schaffen und mit noch energiereicheren Kollisionen den Nachweis erbringen – dafür, dass das Higgs-Boson tatsächlich existiert. Dafür dienen zwei Detektoren: Atlas, 46 Meter lang und 7000 Tonnen schwer sowie CMS, 21 Meter lang mit 21 500 Tonnen. Die Physiker an den jeweiligen Detektoren befinden sich dabei in einem freundschaftlichen Wettbewerb darum, wer als Erster die Nachricht der Entdeckung des Higgs-Bosons verkünden kann. Oder aber beide finden trotz aller Bemühungen in der Menge an Daten nicht die geringste Spur des "Higgs". Das aber würde das Tor zu einer neuen Physik öffnen, weil man dann die gültigen Theorien kritisch überdenken müsste.

Allerdings leidet das CERN etwas unter der vorschnellen Meldung im September vergangenen Jahres, dass man bei einem anderen Experiment überlichtschnelle Teilchen entdeckt hätte – mit denen die Relativitätstheorie infrage gestellt worden wäre. Mittlerweile ist fast sicher, dass ein fehlerhaftes Kabel dafür verantwortlich war. Der Sprecher des sogenannten "Opera"-Experiments, Antonio Ereditato, und auch der Projektkoordinator, Dario Autiero, sind darum Ende März von ihren Posten zurückgetreten.

(RP)
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