Initiative soll Mittwoch vorgestellt werden Tierschutz bleibt Bauern überlassen

Berlin · Agrarminister Christian Schmidt (CSU) will verstärkt auf das Wohl der Tiere in den Ställen achten. Er setzt im Wesentlichen auf Freiwilligkeit. Das geht aus den Eckpunkten einer Tierschutz-Initiative hervor, die Schmidt am Mittwoch in Berlin vorstellen will.

Fotos aus "Deutschlands Ferkelfabriken"
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Es sind Bilder, die Millionen Menschen wütend machen: Wie süße junge Küken am Fließband aussortiert werden - weibliche kommen in die Aufzucht, männliche lebendig in den Häcksler. Geschlüpft und getötet. Und das allein in Deutschland jährlich 45 Millionen Mal, da die Lebensmittelindustrie keine Verwendung für sie hat. Zwölf Jahre nach Einfügen des Tierschutzes als Staatsziel ins Grundgesetz will die große Koalition auf den Ruf nach mehr Tierwohl reagieren: Heute stellt Agrarminister Christian Schmidt (CSU) seine Tierschutz-Initiative vor. Die Opposition befürchtet, dass auch diese Eckpunkte nicht entschieden genug sind und die Missstände fortbestehen.

Für sich selbst hat Schmidt eine nachprüfbare Zielmarke aufgestellt: Am Ende der Wahlperiode 2017 müsse es den Tieren besser gehen als heute. Dahin will er mit einer "verbindlichen Freiwilligkeit" kommen. Wie unsere Zeitung vorab erfuhr, soll im ersten Quartal nächsten Jahres der Entwurf einer "freiwilligen Vereinbarung zum Verzicht auf nicht-kurative Eingriffe" vorliegen. Damit wird etwa das Kupieren der Schwänze bei Schweinen und der Schnäbel bei Vögeln erfasst.

Mitte 2015 will der Minister sodann die Prüf- und Zulassungsverfahren für Stalleinrichtungen auf neue Grundlagen stellen - Start bei Legehennen. Zudem werden die Anforderungen an alle Personen präzisiert, die mit landwirtschaftlichen Nutztieren zu tun haben. Diese müssten sich "der Würde des Tieres bewusst" sein und ihnen "mit Rücksicht und Respekt begegnen", so Schmidt. Und was ist mit der Massentötung männlicher Küken? Hier sieht Schmidt die Forschung auf gutem Weg, eine Methode zu entwickeln, wie die Geschlechtsbestimmung praxistauglich schon im Ei erfolgen kann. Für Anfang nächsten Jahres erwartet Schmidt Ergebnisse. Unter der Überschrift "Weiterer Handlungsbedarf" stehen in Schmidts Entwurf unter anderem die Stichworte "stärkere Begrenzung und Kontrolle von Tiertransporten", "Muttersauen, die mehr Ferkel gebären, als aufgezogen werden können" und die "Problematik des Schlachtens hochträchtiger Kühe".

Zudem will der Minister einen "Kompetenzkreis Tierwohl" ins Leben rufen. Berufsständische Organisationen, Tierschutz- und Verbraucherverbände sowie Tierethiker und Kirchenvertreter sollen in einem Beratergremium arbeiten und die Folgen geplanter politischer Maßnahmen abschätzen. Anfang Oktober soll der Kreis seine Arbeit aufnehmen.

Dies geschehe, um Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verbraucher zu einer gemeinsamen Verständigung über die Definition des Tierwohls zu bringen. Dies sei "eine Frage der Haltung - nicht nur in den Ställen, sondern auch in den Köpfen". Die ehrliche Absicht der Regierung, beim Tierschutz voranzukommen, wird laut Ministerium auch in der Mittelaufstockung deutlich. Gegenüber diesem Jahr steigt der Etat für Tierschutzmaßnahmen von 20,5 auf 33 Millionen Euro.

Der Minister hat sich für die Freiwilligkeit entschieden, um die Tierhalter "mitnehmen" zu können. Deshalb betont er auch, dass die Maßnahmen am Ende wirtschaftlich sein müssten. Ohne jetzt schon konkret zu werden, holt er aber auch den Zeigefinger heraus. Er setze zwar auf Freiwilligkeit, scheue aber auch nicht davor zurück, "gesetzgeberisch zu handeln, wo notwendig", so Schmidt.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter geht das nicht weit genug. "Statt bloßer Lippenbekenntnisse muss der Minister endlich Fakten schaffen", sagte Hofreiter unserer Zeitung. Die Zustände in der Massentierhaltung und bei Tierversuchen sind vollkommen unhaltbar. Bestehende Gesetze seien entweder zu lasch oder würden missachtet. "Hier auf bloße Selbstkontrolle der Industrie zu setzen, ist zynisch", kritisiert der Grünen-Politiker. Jeder dritte überprüfte Tiertransport verstoße beispielsweise gegen das Gesetz. In den Tierfabriken herrsche unkontrollierter Antibiotikamissbrauch. Statt entschieden einzugreifen, fielen dem Minister nur leere Worthülsen ein. Deshalb kündigte Hofreiter an, einen umfassenden Antrag zum Tierschutz schon nächste Woche im Bundestag einzubringen.

(may-)
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