Britischer Forscher Stephan Hawking Urknall ohne Gott?

Stephen Hawking, der berühmteste Physiker unserer Zeit, feiert in seinem neuen Buch den Triumph des Geistes – über Gott. In "The Grand Design" (Der große Entwurf) sieht er aus physikalischer Sicht keine Notwendigkeit mehr für einen Schöpfergott. Das Universum wäre aus naturwissenschaftlichen Gesetzen entstanden.

Eine Aussage, mit der er nicht nur britische Christen zwei Wochen vor dem Besuch von Papst Benedikt XVI. verärgert hat. Und die scheinbar überraschend von dem 68-Jährigen kommt. Zumindest hat er in seinen vorherigen Büchern gerne Andeutungen gemacht, wie physikalische Theorien auf die Existenz Gottes hinweisen würden. Vielleicht hatte er das bisher gegen seine Überzeugung geschrieben, nur um nicht zu provozieren. Vielleicht steckt dahinter wirklich ein Sinneswandel. Doch woher kommt dieser dann?

Physiker kommen mit ihren Berechnungen immer näher an den Urknall heran. Jenen Zeitpunkt vor 13,7 Milliarden Jahren, an dem alles begann und Raum und Zeit entstanden. Und immer besser verstehen sie, was damals vor sich ging. Doch wenn schon damals die Naturgesetze galten, zu jenem Zeitpunkt also, an dem alles begann – was hat Gott dann getan, außer den Startimpuls zu geben?

Und welche Freiheiten hätte Gott gehabt, wenn schon damals die Naturgesetze galten? Hawking wagt sich in seinem neuen Buch aber noch weiter vor. Über den Punkt der Schöpfung hinaus: Wenn auch vor dem Urknall die physikalischen Gesetze galten, dann könnte das Universum aus dem Nichts entstanden sein. Über sogenannte Quantenfluktuationen im Vakuum. Was hat Gott dann geschaffen außer dem Nichts?

Noch aktueller ist die Idee von einem leeren, kalten Universum, das nicht mehr als eine Membran darstellt – über die Schwerkraft mit einer anderen Membran verbunden. Als beide kollidierten, kam es zum Urknall und der Geburt von Raum und Zeit. Seitdem entwickelt das Universum sich, dehnt sich aus und wird irgendwann kalt und leer sein – bis zur nächsten Kollision der Membranen. Das ist eine theoretische Möglichkeit, die indes auf einigen bisher nicht belegten Annahmen beruht. Aber ein Schöpfergott wäre so nicht mehr notwendig. Denn dieser Prozess würde sich immer und immer wiederholen.

Doch stimmt das wirklich? Egal, wo man den Punkt setzt. Es bleibt immer die Frage, was vorher war, wer das in Gang gesetzt und die Naturgesetze geschaffen hat. Hawkings Überlegungen sind vor allem eines – Theorien, die sich einer Prüfung durch ein Experiment entziehen. Zu dünnes und zu glattes Eis also, um Gott darauf auszuhebeln. Sicher ist es ein Triumph des Geistes, sich vorzustellen und zu berechnen, was vor dem Urknall war. Doch mehr als ein Gedankenspiel ist es nicht. Eines, das die Grenzen der Wissenschaft fast sprengt. Denn Physiker und Astronomen können nicht aus dem Universum heraus, das sie beobachten.

Hawking entfacht so auch einen längst überwunden geglaubten Konflikt zwischen Astronomen und Theologen, zwischen Glaube und Wissenschaft. Spannungsfrei war dieses Verhältnis nie. Vor Jahrtausenden waren die Himmelskörper der Sitz der Götter, bis Astronomen sie als Sterne, Planeten und Kometen erkannten, die physikalischen Gesetzen unterworfen waren. Die Erde als Gottes Schöpfung galt als Mittelpunkt des Universums, bis Astronomen sie aus dem Zentrum rückten: Die Erde kreist um die Sonne. Die Sonne und die Planeten: Sie sind nur ein Sternensystem unter vielen, die zusammen die Milchstraße bilden. Und selbst die Milchstraße mit ihrer Ansammlung von Sternen ist nur eine Galaxie von vielen. Zudem wurden jüngst immer mehr Planeten entdeckt, die um ferne Sonnen kreisen. Der Mensch und die Erde als Gottes Schöpfung scheinen da gar nicht so bedeutend für den Schöpfer zu sein.

Ein Beleg für die Nichtexistenz Gottes? Das hängt davon ab, wie man Gott sieht. Ein Gott, der ständig ins Universum eingreift, hat tatsächlich keinen Platz in der Physik. Denn nichts deutet daraufhin, dass Willkür im Kosmos herrscht. Aber diese Vorstellung hat nicht erst seit Hawking ihren Platz verloren.

Albert Einstein glaubte an einen Gott im Sinne von Spinoza, an einen Gott, der in Einheit mit allem ist, der nicht dauernd in das Universum eingreift, sondern es erfüllt. Wie Einstein waren viele Physiker, ob Max Planck oder Werner Heisenberg, religiöse Menschen. Die Theorie des Urknalls stammt von dem belgischen Priester und Physiker Georges Lemaître. Einen Widerspruch zwischen Glauben und Wissenschaft sahen sie alle nicht. Physik kann das Universum nur beschreiben, ein Stück weit erklären. Doch die Erkenntnis ist immer nur vorläufig. Sie gilt, bis eine neue Theorie ein besseres Verständnis bietet, bis ein Experiment und eine Beobachtung eine alte Idee widerlegen. Wissenschaft kann nicht sagen, was Gut und was Böse ist. Sie stiftet keinen Sinn im Universum und begründet keine Moral.

Darum ist die Aussage von Hawking ohne Wert. Es mag sein, dass die modernde Physik einen Schöpfergott nicht braucht. Doch Gott ist keine Frage der Physik und war es nie. Selbst manchen Wissenschaftler läuft vor Ehrfurcht und Demut ein kalter Schauer über den Rücken beim Blick in den Nachthimmel. Das Auge, das sieht, das Gehirn, das begreift, und die Sterne – alles entstand vor 13,7 Milliarden Jahren im Urknall. Der Mensch und das Universum haben einen gemeinsamen Ursprung und tragen den Funken der Schöpfung in sich. Auch aus physikalischer Sicht.

(rai)
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