Verkanntes Genie: Sinfonien von Clementi

Klassik Legionen von jungen Pianisten sind mit dieser Musik konfrontiert worden und haben sie als freundliche Folter verstanden: Klassik, die ihnen nichts sagte, die kein Gesicht besaß, die unverbindlich bis zur Belanglosigkeit tönte. Wir reden hier natürlich von der Sonatine op. 36/1 C-Dur von Muzio Clementi, die als zweistimmige Musterklassik bis heute kultiviert wird, als Vorstufe zu belangvolleren Werken aus der Feder von Haydn, Beethoven und Mozart.

Klassik Legionen von jungen Pianisten sind mit dieser Musik konfrontiert worden und haben sie als freundliche Folter verstanden: Klassik, die ihnen nichts sagte, die kein Gesicht besaß, die unverbindlich bis zur Belanglosigkeit tönte. Wir reden hier natürlich von der Sonatine op. 36/1 C-Dur von Muzio Clementi, die als zweistimmige Musterklassik bis heute kultiviert wird, als Vorstufe zu belangvolleren Werken aus der Feder von Haydn, Beethoven und Mozart.

Dabei war dieser Mutius Philippus Vincentius Franciscus Xaverius Clementi, der 1752 in Rom geboren worden war und 1832 in England starb, zu seiner Zeit einer der Helden seiner Zunft. Der Italiener wurde durch seine Reisen nach England und sein Wirken in London in ganz Europa bekannt; Konzertreisen führten ihn, den komponierenden Pianisten, in die wichtigsten Metropolen. Und tatsächlich: Hört man sich jenseits der Klimperseligkeit seiner Sonatinen seine wichtigeren Klavierwerke an, so gerät man ins Staunen, auch in Schwärmen.

Neben seinen berühmten Klavierwerken hat er sechs Sinfonien komponiert, die ihn zu einer wichtigen Größe im Londoner Konzertleben machten. Das nicht ohne Grund: Der genaue Entstehungszeitraum der Sinfonien kann zwar nicht exakt festlegt werden, er erstreckte sich aber gewiss ungefähr bis ins Jahr 1824, als Clementis "Great National Symphony" ihre Uraufführung hatte. Diese Sinfonie erfreute sich in England besonders großer Beliebtheit, da Clementi das Thema der englischen Nationalhymne "God Save The Queen" in sie eingearbeitet hat.

Speichelleckerei? Mitnichten: Clementi fühlte sich in England pudelwohl und mochte seinen neuen Zeitgenossen sehr. Jetzt hat das großartige Mozarteumorchester Salzburg unter Leitung von Ivor Bolton vier der sechs Sinfonien aufgenommen und beim Label Sony herausgebracht, und spätestens jetzt fällt jedes verführte Urteil über Clementi in sich zusammen: schwungvolle, erfinderische, gepfefferte Musik, harmonisch wagemutig mit reichlich verminderten Septakkorden.

Jetzt versteht man, warum kein Geringerer als Beethoven von Clementi begeistert war. Wolfram Goertz

(RP)
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