Düsseldorf Vorsicht vor Pilzbestimmungs-Apps

Düsseldorf · Wer sich an Bestimmungsbücher und Apps hält, kann dennoch nicht sicher sein, dass er ausschließlich essbare Pilze gesammelt hat. Champignon und der giftige Weiße Knollenblätterpilz sind einander zum Verwechseln ähnlich.

Mit dem unbeschwerten Genuss selbst gesammelter Pilze ist das so eine Sache: Liegt da auf dem Teller nun wirklich ein leckerer Champignon oder vielleicht doch eher der zum Verwechseln ähnliche, dafür aber hochgiftige Weiße Knollenblätterpilz? Wer kann das schon mit Bestimmtheit sagen? Pilzsachverständige können das. Nur hat so einen Experten natürlich nicht jeder bei sich, der im Wald auf Pilzsuche geht. Also greift man zum Pilzbestimmungsbuch oder ganz aktuell auch immer häufiger zur Pilzbestimmungs-App auf dem Handy.

Doch Fachleute warnen vor der trügerischen Sicherheit, die solche Hilfen vermitteln können. "Die Apps sind unseriös und sogar gefährlich", sagt der Experte Peter Kaupp. "Das sichere Bestimmen von Pilzen ist Erfahrungssache", weiß der schweizerische Lebensmittel- und Pilzkontrolleur des Kantonalen Laboratoriums Basel-Stadt. Nur auf Bilder dürfe man sich auf gar keinen Fall verlassen, so mahnt Kaupp vor allzu viel Leichtfertigkeit im Umgang mit den Waldfrüchten und rät, einen Fachmann aus Fleisch und Blut zu konsultieren. Den Pilzsachverständigen liefern nämlich auch haptische Eindrücke und Gerüche wichtige Anhaltspunkte für eine Bestimmung - alles Dinge, bei denen eine App versagt, ebenso wie ein Buch.

"Gute Pilzbücher bieten zwar wertvolle Hilfen beim Bestimmen", weiß Ewald Gerhard, der selbst ein umfangreiches Werk zum Thema verfasst hat, "sie können aber nicht die praktische Erfahrung ersetzen, die sich jeder in mühseliger Kleinarbeit selbst aneignen muss."

Das sieht man auch bei der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) in Karlsruhe so. "Vertrauen Sie aber nicht etwa selbst ernannten ,alten Hasen'", mahnt Professor Siegmar Berndt von der DGfM, "die haben nämlich bisher oft nur Glück gehabt". Der Toxikologe rät: "Lassen Sie Ihre Pilze vielmehr nur von geprüften Pilzsachverständigen auf Essbarkeit überprüfen" - mit gutem Grund. Denn die häufigsten Pilzvergiftungen werden nicht durch Giftpilze verursacht, sondern durch zu alte oder zu lange oder falsch gelagerte, weiß man bei der DGfM.

Von Hausmittelchen, die angeblich die Giftigkeit zweifelsfrei anzeigen können, raten alle Experten gleichermaßen ab. Weder verfärbt sich mitgekochtes Silber in jedem Falle, noch kann man davon ausgehen, dass Pilze, die von Tieren angefressen wurden, garantiert ungiftig sind. Aber auch wenn die Pilzmahlzeit ihren Weg schon in den Magen gefunden hat, kann man noch eine Menge falsch machen, wissen Ärzte. Milch trinken ist eigentlich immer falsch, warnen die Mediziner, und auch die Finger-in-den-Hals-Methode hat so ihre Tücken, denn gerade die besonders gefährlichen Pilzvergiftungen machen sich erst viele Stunden, manchmal sogar erst Tage nach der Mahlzeit bemerkbar. So treten etwa beim sogenannten Orellanus-Syndrom, hervorgerufen unter anderem durch den Orangefuchsigen Schleierling (Cortinarius orellanus) und den Spitzbuckeligen Orangeschleierling (Cortinarius rubellus), Vergiftungserscheinungen erst frühestens 36 Stunden nach der Mahlzeit auf. Die ersten Anzeichen sind zumeist noch recht unspezifisch (zum Beispiel Übelkeit), dann aber machen sich zunehmend Schmerzen im Ledenwirbelbereich, Kältefühl und Durst bemerkbar. Hier muss sofort geholfen werden, denn Nierenschädigungen können die Folge sein; sie können sogar zum Verlust des Organs führen.

So weit muss es gar nicht erst kommen, es genügt schon, sich mit einer Pilzunverträglichkeit kräftig den Magen zu verderben. Aus diesem Grund sollte sofort der Arzt aufgesucht werden, sobald auch nur der Verdacht auf Vergiftung besteht. Reste der Pilzmahlzeit oder aber auch Erbrochenes übrigens unbedingt mitnehmen, um den Medizinern die genaue Bestimmung des Giftes und somit auch die Einleitung von Gegenmaßnahmen zu erleichtern! Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte seine Pilze vielleicht doch lieber im Supermarktregal suchen.

(RP)
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