1969 betrat Neil Armstrong unseren Trabanten Die US-Flaggen auf dem Mond sind jetzt weiß

New York · Seit über vier Jahren fotografiert eine Nasa-Aufklärungssonde den Mond. Eindeutig zu sehen: Fünf der sechs US-Flaggen stehen noch.

1969 betrat Neil Armstrong unseren Trabanten: Die US-Flaggen auf dem Mond sind jetzt weiß
Foto: AP

Für den Laien ist es nicht mehr als ein nach unten ausgefranster schwarzer Fleck, der sich abhebt aus dem schmutzigen Grau der Oberfläche.

Der Mond ist auf diesen Fotografien nicht mehr schön. Eine Nasa-Sonde hat ihn aus 50 Kilometer Entfernung quasi mit der Lupe betrachtet. Er ist übersät mit Narben, die die kosmische Strahlung und Meteorite ihm versetzt haben.

Dieser Fleck aber ist etwas Besonderes: Denn je nach Uhrzeit ist er mal nach unten, mal nach links, mal nach rechts verlängert. Er ist das Abbild einer US-Flagge, die noch immer ihren Schatten wirft. "Wir sind sicher, dass von den sechs US-Flaggen auf dem Mond fünf noch stehen", schreibt Mark Robinson. Der Nasa-Forscher ist quasi der Kameramann des "Lunar Reconnaissance Orbiters" (LRO), einer Nasa-Sonde, die im Juni 2009 gestartet wurde.

Ausgerechnet die wichtigste Flagge fehlt allerdings. Bei der ersten Mondlandung hatte das Landegerät beim Start für den Rückflug zur Erde die Flagge umgeblasen. Mond-Pionier Buzz Aldrin erzählt davon in seinen Memoiren, die Fotos der Sonde geben ihm Recht.

Noch menschliche Spuren zu sehen

Mindestens fünf Jahre wird LRO den Mond umkreisen und fotografiert in wechselnden Höhen. Das Ziel ist eine Karte, die Roboterfahrzeugen Orientierung geben könnte oder Hinweise auf Rohstoffe und Wasser liefert. 36 komplette Serien der Oberfläche hat LRO mittlerweile angefertigt. Jede besteht aus 110 000 Fotos.

Vor wenigen Wochen haben die Nasa-Techniker daraus ein Video gefertigt, dass den rotierenden Mond mit seinen hellen und dunklen Flecken in bisher ungekannter Detailtiefe zeigt.

Auch 40 Jahre nach der Mondlandung zeugen die Fotos noch vom Besuch der Menschen. Stiefel-Abdrücke sind noch erkennbar. Besonders beeindruckend ist die Spur des Mondautos, das die Nasa 1972 im Gepäck hatte.

Sechsmal sind die Amerikaner von 1969 bis 1972 auf dem Mond gelandet. Jedes Mal rammten die beiden Astronauten der Apollo-Mission eine Fahne in den Boden. Jede Flagge ein Stachel im Fleisch der Sowjetunion, dem größten Konkurrenten der USA im Prestige-Duell der Weltraumfahrt. Die Russen waren nie auf dem Mond.

Als Neil Armstrong und Buzz Aldrin im August 1969 aus der Apollo-11-Kapsel ausstiegen, sah die Aufgabenliste des zweistündigen Spaziergangs als zweite Tätigkeit vor, die US-Fahne zu hissen. Ein klares Indiz, dass "der große Schritt für die Menschheit" (Armstrong) zu Anfang eine politische Mission war und sich erst später zur Aufgabe der Wissenschaft wandelte.

Seitdem rätseln die Fans der Weltraumfahrt, was mit den Flaggen wohl passiert sein könnte. Sie bestehen aus Nylon, gefertigt in New Jersey. Die Nasa hat damals dafür 5,50 Dollar das Stück bezahlt. Der Hersteller hatte nur wenig Vertrauen in sein Produkt.

"Um ehrlich zu sein: Ich kann nicht glauben, dass davon etwas übrig geblieben sein wird", sagte Dennis Lacarruba von der Herstellerfirma in mehreren Interviews zum Jubiläum der Mondlandung. Auf der Erde hätten die Fahnen Wind und Wetter trotzen müssen. Auf dem Mond ist das ganz anders, weil er keine Atmosphäre besitzt und weder Regen noch Wind kennt. Damit fehlen aber auch die regulierenden Wirkungen einer Luftschicht.

Eine Oberfläche, die der Sonne ausgesetzt ist und ihr Licht absorbiert, kann sich auf über 100 Grad aufheizen. Polyamid, das Basis-Material von Nylon, besitzt diese Eigenschaft aber nicht so ausgeprägt. Gleichwohl wird es auf dem Mond auch bis zu minus 150 Grad kalt, wenn die Sonne fehlt.

Erneute Mondmission verschoben

Ein anderer Effekt macht den Flaggen stärker zu schaffen. "Sie sind seit mehr als 40 Jahren intensiver UV-Strahlung ausgesetzt. Selbst auf der Erde bleichen Farbstoffe unter diesen Bedingungen, obwohl uns die Atmosphäre schützt", urteilt der Mond-Physiker Paul Spudis. Auf dem Mond ist die Kraft der UV-Strahlen der Sonne viel höher. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Flaggen vollständig ausgebleicht sind — also komplett weiß."

Die Deutungshoheit über die jetzt weiße Fahne ist noch umkämpft. Die Nasa und Raumfahrtfreunde verweisen gern auf das Neil-Armstrong-Zitat: "Wir kamen in Frieden für die ganze Menschheit." USA-Kritiker reagieren eher mit Häme: Das Verblassen sei die richtige Antwort der Natur auf den Versuch der Kolonialisierung durch die USA.

Doch weil Raumfahrt immer noch ein bisschen Politik ist, hat Mond-Experte Spudis eine eigene Interpretation: "Wie ironisch. Amerika ist ohne erkennbares Raumfahrtprogramm und die US-Flaggen auf dem Mond als Symbol unserer Erfolge sind nicht mehr sichtbar."

Die Nasa hat die Pläne für eine erneute bemannte Mond-Mission bis zum Jahr 2020 auf Bitten von Präsident Obama zurückgestellt. In diesen Tagen erreicht eine weitere Sonde den Erdtrabanten; es wird vorerst der letzte Besuch der Amerikaner beim Mond bleiben.

(RP)
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