Konkrete Kolonisierungspläne So will Elon Musk den Mars besiedeln

Guadalajara · Der US-Multimilliardär Elon Musk will in nur zehn Jahren die ersten 100 Siedler zum Mars schicken. Sie sollen der Anfang einer Kolonisierung sein. Sein Plan ist mehr als nur ein Traum. Er scheint tatsächlich möglich.

 Elon Musk bei der Präsentation in Mexiko.

Elon Musk bei der Präsentation in Mexiko.

Foto: ap, DLM

Der US-Multimilliardär Elon Musk (45) hat eine Vision: Die Menschheit soll endlich den Mars kolonisieren. Nicht irgendwann. In bereits zehn Jahren sollen die ersten Siedler starten. Das klingt verrückt und nach Science Fiction. Doch der Mann, der Paypal entwickelt hat und hinter dem Elektrowagen Tesla sowie dem erfolgreichen privaten Raumfahrtunternehmen SpaceX steckt, hat mit seinem Team kühl und sachlich analysiert, wo das Problem liegt.

"Mit der derzeit verfügbaren Technik verschlingt ein Flug zum Mars um die zehn Milliarden US-Dollar pro Person — wenn es denn solche Flüge geben würde." Die Kosten müssten drastisch gesenkt werden. Auf unter 200.000 US-Dollar pro Person.

Daraus kristallisierte sich sein sehr konkreter Plan heraus, den er am Dienstagabend unserer Zeit beim International Astronautical Congress im mexikanischen Guadalajara vorstellte — mit dem Charme eines schüchternen Jungen, der gerade ein Schulreferat hält. Und im Großen und Ganzen setzt er auf real vorhandene Technik und nicht auf visionäre Hirngespinste.

Um eine dauerhafte Verbindung zwischen Erde und Mars zu etablieren, müssen die Raumschiffe wiederverwendbar sein und mehrere Flüge ermöglichen. Sie müssen im Erdorbit betankt werden können, weil der Start eines Raumschiffs auf der Erde inklusive Treibstoff für die Reise zu teuer und zu aufwändig wäre. Und dieser Treibstoff müsse sich auch auf den Mars produzieren lassen. Das sind die grundlegenden Eckpunkte von Musks Plan.

Im Detail heißt das: Eine mehr als 120 Meter hohe Rakete wird ein Raumschiff mit 100 Siedlern an Bord in eine Erdumlaufbahn bringen. Die Antriebsstufe, der Booster, koppelt dabei ab, kehrt zur Erde zurück und wird dort sicher landen. Dass es möglich ist, hat Musks Unternehmen SpaceX bereits mit der derzeit eingesetzten Facon-9-Rakete mehrfach bewiesen.

Auf der Erde wird dann ein Tank auf die Antriebsstufe montiert, der ebenfalls in eine Erdumlaufbahn startet und dort dann das Raumschiff mit Treibstoff für die Reise versorgt. Der Flug selbst soll drei bis vier Monate dauern und durchaus komfortabel sein. "Fast jeder kann nach ein paar Tagen Training mitfliegen." Nach der Landung aber beginnt die weniger bequeme Phase: Die Pioniere von der Erde werden den Mars kolonisieren.

Weil sich ein günstiges Startfenster für den Flug zurück zur Erde nur alle zwei Jahre öffnet, bleibt genug Zeit, um das Raumschiff zu betanken. Mit Methan und Sauerstoff. Beides lässt sich auf dem Mars über ein seit mehr als 100 Jahren bekanntes, nach Paul Sabatier benanntes Verfahren produzieren — mit Kohlendioxid aus der Atmosphäre und Wasser, das sich ebenfalls auf dem Roten Planeten unter der Oberfläche und an den Polkappen finden lässt.

Der Vorteil: Treibstoff für den Rückflug muss nicht erst von der Erde mitgebracht werden. Und weil die Schwerkraft auf unserem Nachbarplaneten nur knapp ein Drittel der Erd-Gravitation beträgt, ist auch keine große zusätzliche Antriebsstufe notwendig, um vom Mars zu starten.

Das Raumschiff kehrt zu Erde zurück, wird gewartet und kann dann in zwei Jahren, wenn sich wieder ein günstiges Startfenster öffnet, mit 100 Kolonisten zur neuen Heimat der Pioniere starten. Erst dadurch, dass die Komponenten mehrmals wieder verwendet werden, kann Elon Musk die Kosten senken — auf unter 200.000 US-Dollar pro Person. Möglicherweise vielleicht sogar auf unter 100.000 US-Dollar.

So soll die Antriebseinheit, der Booster, 1000 Mal, der Tank 100 Mal und ein Raumschiff zwölf Mal eingesetzt werden. Das bedeutet aber auch: Für die Kolonisten gibt es alle zwei Jahre ein Rückflugticket. Das Raumschiff muss schließlich zurück zur Erde fliegen. Und wer heimkehren möchte, steigt einfach mit ein.

Musk denkt, dass die Rückkehr-Option es potenziellen Siedlern leichter macht, sich für den Mars zu entscheiden. Tatsächlich hofft er aber, innerhalb von 40 bis 100 Jahren mit einer ganzen Flotte von Raumschiffen rund eine Million Menschen zu unserem Nachbarplaneten zu fliegen. Sie würden dort eine neue Zivilisation aufbauen — die sich schließlich selbst versorgen kann und nicht mehr auf die Unterstützung von der Erde angewiesen ist.

Doch ganz so einfach, wie es klingt, ist es in der Realität dann doch nicht. Musk benötigt dafür neue Triebwerke, die Raptor heißen — und zumindest als Prototypen bereits existieren. Rechtzeitig vor der Präsentation konnten sie vor wenigen Tagen in einem Teststand gezündet werden. Ohne zu explodieren. Aufgrund ihrer Bauart könnten sie sogar in den bereits vorhandenen SpaceX-Fabriken gebaut werden; es müssten nicht erst neue Produktionsanlagen entworfen werden.

Auch ein Tank aus neuartigen, leichten, aber robusten Carbonfasern, die dem flüssigen Methan (ca. -160 Grad Celsius) und vor allem dem flüssigen Sauerstoff (ca. -180 Grad Celsius) widerstehen, gibt es schon. Zumindest testweise. Und die ersten Erfahrungen mit dem Tank seien vielversprechend.

Aber noch steckt Musk nicht sein ganzes Geld und die gesamte SpaceX-Manpower in das Projekt. Zunächst müsse die nächste Ausbaustufe der derzeit eingesetzten Falcon-9-Rakete fertiggestellt werden. Und auch die "Red Dragon"-Kapsel will Elon Musk noch starten: Sie soll bereits 2018 unbemannt zum Mars fliegen und dort landen. Das ist indes bereits eine Vorstufe seines großen Plans, in den der Multimilliardär kontinuierlich mehr und mehr Ressourcen stecken will — inklusive seines eigenen Vermögens. Der Mars "ist der Grund, warum ich Geld verdiene." Und man glaubt es ihm.

Er rechnet damit, dass die Entwicklung seines Mars-Transit-Systems rund zehn Milliarden US-Dollar kosten wird. Nach Möglichkeit refinanziert über kommerzielle Satellitenstarts, Transportflüge zur Internationalen Raumstation ISS und auch die Beteiligungsplattform Kickstarter. Eventuell würden sich auch einige Länder engagieren. Das hofft Musk zumindest.

Wenn alles problemlos und ohne Rückschläge läuft, sollen in zehn Jahren die ersten Siedler starten. Und es werden laut dem Multimilliardär besondere Menschen sein: Solche, die bereit seien, Pioniere zu sein — und als Pioniere auch zu sterben. Die Wahrscheinlichkeit sei nicht gering, gibt Musk zu. Es müssten Menschen sein, die das Abenteuer suchten. Die genug davon hätten, jeden Morgen aufzustehen, um Alltagsprobleme zu lösen. Es müssten Menschen sein, die stattdessen ihre Zukunft in die eigene Hand nehmen wollen — um etwas Neues, Großes aufzubauen. "Auf der Erde können wir jeden Punkt innerhalb von 24 Stunden erreichen."

Außer den politischen Grenzen gebe es keine Beschränkungen mehr. Der Weltraum dagegen sei eine Grenze, "die wir aber überwinden können". Und dafür möchte er das Transportsystem schaffen. So wie es die Eisenbahn bei der Eroberung des US-Westens gewesen sei.

Darin aber liegt auch eine Schwäche des Plans. Auf die Frage, wie er beispielsweise Kolonisten beim Flug außerhalb des Erdmagnetfeldes vor Strahlung schützen wolle, klingt seine Antwort lapidar. Das Risiko sieht er als nicht so groß an. Die Wahrscheinlichkeit an Krebs zu erkranken wäre nur leicht erhöht.

Und wie sich die Kolonisten auf den Mars schützen könnten, der über kein Magnetfeld verfügt? "Ich stelle das Transportsystem zur Verfügung." Für die Siedlung auf den Mars setze er auf die Ideen und den Erfindungsgeist der zukünftigen Kolonisten und der Wissenschaftler, die das möglich machen werden. Das klingt noch wenig konkret.

Lieber spricht er davon, dass sein Transportsystem so variabel sei, dass der Mars nicht der Endpunkt sein muss. Mit "Tankstellen" im Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter beispielsweise ließen sich unter anderem die Saturn- und Jupitermonde erreichen. So wie Europa. Die US-Weltraumbehörde NASA hatte erst am Montagabend Beobachtungen mit dem Hubble-Weltraumteleskop präsentiert, die auf gewaltige Wassergeysire auf dem Mond hinweisen — die sich mit Elon Musks Raumschiffen vor Ort erforschen ließen.

Welche Namen genau seine Schiffe und Raketen tragen werden, wisse er noch nicht. Derzeit kursieren nur Abkürzungen wie unter anderem BFR. Das steht für "Big Fucking Rocket" — "Verdammt große Rakete" auf Deutsch. Nur für sein erstes Raumschiff hat er schon einen Namen im Kopf: "Heart of Gold" (Herz aus Gold) nach dem Kultroman "Per Anhalter durch die Galaxis" von Douglas Adams. Dort gibt es einen Unwahrscheinlichkeitsantrieb. "Und mein Raumschiff scheint auch unwahrscheinlich." Das aber hält Musk nicht davon ab, seinen Plan zu verfolgen.

Warum aber der Mars? Die nüchterne Antwort: Weil unser 56 bis 401 Millionen Kilometer entfernter Nachbar eine feste Oberfläche hat, über ausreichend Ressourcen und Rohstoffe verfügt und mit etwas mehr als 24 Stunden einen ähnlichen Tag-Nacht-Rhythmus bietet wie die Erde.

Die tiefsinnigere Antwort: Musk sieht für die Menschheit keinen anderen Ausweg als den Aufbruch zu den Sternen. "Die Alternative ist, wir bleiben auf der Erde. Aber schlussendlich wird die Menschheit hier aussterben", sagte er bei der Präsentation. Das solle keine düstere oder pessimistische Prophezeiung sein, sondern es sei nur die Akzeptanz des Unausweichlichen.

Irgendwann, in 100, 1000 oder 10.000 Jahren werde etwas passieren, das das Ende der Menschheit bedeuten würde. Unrecht hat er damit nicht. Früher oder später wird beispielsweise ein Komet oder Asteroid einschlagen mit verheerenden Konsequenzen. Die Spuren der Vergangenheit auf unserer Erde beweisen, dass es nur eine Frage der Zeit ist. Oder eine andere globale Katastrophe wird eintreten.

Ob sie von Menschen verursacht wird oder einen natürlichen Ursprung hat, spielt keine Rolle: Das Ergebnis bleibt gleich. "Als Spezies können wir nur überleben, wenn wir andere Planeten besiedeln."

(jov)
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