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Analyse Die deutsche Mars-Mission

Berlin · Die Kanzlerin lädt Astronaut Alexander Gerst am Donnerstag zum Privatbesuch. Er wird begeistert von seiner Zeit im All erzählen und die Regierung darin bestärken, an ehrgeizigen deutschen Raumfahrtprojekten festzuhalten.

Alexander Gerst spaziert durchs Weltall
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Alexander Gerst spaziert durchs Weltall

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Foto: dpa, cdt jhe hpl

Auf dem Terminkalender der Bundeskanzlerin stehen viele Treffen, die mit Routine, Mühsal oder Pflicht verbunden sind. Auf das heutige Treffen mit dem Geophysiker Alexander Gerst dürfte sich die gelernte Physikerin indes sehr freuen.

Deutschlands Mann im All ist ein glühender Anhänger der bemannten Raumfahrt, hat im vergangenen Jahr mehr als 2500 Mal die Erde umrundet und trug den schwarz-rot-goldenen Aufnäher auf seiner Astronautenkluft auch bei publikumswirksamen Außeneinsätzen an der Internationalen Raumstation (ISS). Seine Mission steht für einen oft übersehenen Schwerpunkt deutscher Forschungsförderung: die ehrgeizigen Raumfahrtprojekte.

Mehr als 1,2 Milliarden steckt der Bund auch in diesem Jahr in die Arbeit des Deutschen Zentrums für Luft und Raumfahrt (DLR) und weitere Raumfahrt-Aktivitäten. Und damit gehört Deutschland zu den führenden Raumfahrt-Nationen der Welt. Die Amerikaner und Russen führen auf dieser Rangliste zwar mit großem Abstand, aber angesichts von elf deutschen Astronauten in 15 bemannten Missionen steht die Bundesrepublik bereits auf Rang drei.

Alexander Gerst: Ein Porträt in Bildern
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Das ist Alexander Gerst

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Foto: dpa

"In der Raumfahrt gehen wir an Grenzen", schildert die Luft- und Raumfahrtbeauftragte der Bundesregierung, die Staatssekretärin Brigitte Zypries. Die Menschen beträten einen Bereich, in dem sie sich eigentlich nicht aufhalten könnten. "Mit Raketen, Launchern und Schutzanzügen doch den Weg ins All zu finden und von außen auf die Erde zu schauen - das ist faszinierend", sagt die SPD-Politikerin im Gespräch mit unserer Zeitung.

Und es ist überaus nützlich für die deutsche Wirtschaft. Das All stellt die größte Herausforderung an technische Entwicklungen. Und Deutschland gehört zu den führenden Entwicklern hochmoderner Weltraum-Robotik - mit ganz praktischen Auswirkungen auf fortschrittliche Fertigungsprozesse. So greift Daimler bei der Herstellung seiner Hochleistungsgetriebe auf Robotik-Forschungsprojekte aus dem All zurück.

Alexander Gerst von der ISS zurückgekehrt - Nach 166 Tagen im All
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Alexander Gerst von der ISS zurückgekehrt

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Foto: dpa

Einen Schwerpunkt bildet die deutsche Beteiligung an der ISS. Deren Forschungsmodul Columbus wird sogar von Oberpfaffenhofen aus gesteuert. "Kein Land nutzt die ISS intensiver als wir", berichtet Andreas Schütz vom DLR. Gerst habe in seinen sechs Monaten an Bord allein rund hundert wichtige Experimente betreut.

Der Deutsche war im vergangenen Jahr mit einer russischen Sojus-Rakete ins All gestartet. Er erzählte jedoch nicht nur von begeisternden Eindrücken. "Schockiert" zeigte er sich etwa, wie viel von den grünen Lungen der Welt, etwa am Amazonas, schon zerstört ist. Und er versetzte sich in die Situation von Außerirdischen, die an seiner Seite auf Umweltzerstörung und Kriege auf der Erde blicken, und räumte ein: "Ich hätte wirklich Probleme, denen das zu erklären."

Raumfahrt: Alexander Gersts Blick von der ISS auf die Erde
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Der Blick von Alexander Gerst auf die Erde

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Foto: dpa, nasa mda kno

Gerst wird die Kanzlerin heute wohl erneut auch auf den Mars ansprechen. Die Europäische Weltraumagentur ESA hat den Start der ExoMars-Mission mehrfach verschoben. Derzeit ist auch unklar, ob das schlechte Verhältnis zu Moskau in der Ukraine-Krise das Mars-Projekt mit Komponenten aus den USA, Russland und Europa erneut verzögert oder gefährdet. Die ESA wollte mit unbemannten Forschungsflügen weitere Erkenntnisse für spätere bemannte Missionen sammeln. Die Vermessung, Kartierung und Untersuchung der Mars-Oberfläche läuft derzeit mit verblüffend genauen Ergebnissen weiter. Die Arbeit der seit elf Jahren um den Mars kreisenden und mit deutscher Technik ausgestatteten Raumsonde wurde im Winter erneut verlängert.

Gerst hat keinen Zweifel daran, dass Menschen in absehbarer Zeit auch zum Mars aufbrechen werden. Er empfiehlt, den kargen und unwirtlichen Planeten im Interesse der Menschheit genau zu studieren, denn es spreche vieles dafür, dass dieser früher ähnlich aussah wie die Erde. Deshalb sei es wichtig, zu erforschen, welches Schicksal unter welchen Bedingungen auch der Erde drohen könnte.

Ein Beispiel für derartige Erkenntnisse liefert dem DLR auch die Venus. Die Frage nach den dort herrschenden hohen Temperaturen beantworten die Forscher inzwischen mit dem Treibhauseffekt, wie er auch auf der Erde zu beobachten, aber auf der Venus weiter fortgeschritten sei, erläutert Schütz. Die immer ausgefeiltere Erdbeobachtung aus dem Weltraum bis hin zur Biomassenmessung sei inzwischen auch Teil des globalen Katastrophenmanagements - etwa mit Blick auf präzisere Daten zu Tsunami-Auswirkungen.

Auf Zypries' Agenda steht der Erhalt der ISS an oberster Stelle. Deshalb ist sie froh, dass es der Bundesregierung bei der letzten Ministerkonferenz gelungen ist, von allen Staaten der ESA die erforderlichen Mittel für den Unterhalt der Station einzuwerben. Daneben sieht sie dringenden Handlungsbedarf an anderer Stelle: "Wir haben Projekte gestartet, um den Weltraum vom Schrott zu befreien", berichtet Zypries. Dafür entwickelten deutsche Forscher und Techniker Roboter, die die ganzen herumschwirrenden Einzelteile wieder einfangen sollen. "Das brauchen wir für die Zukunft unbedingt, sonst können wir das Weltall nicht mehr wie bisher mit Satelliten bestücken, weil diese dann ständig mit Schrottteilen kollidieren", erläutert die Politikerin.

Gerst würde am liebsten selbst noch mal fliegen. Tatsächlich laufen bereits Vorbesprechungen, bis zum Ende des Jahrzehntes einen weiteren deutschen Astronauten ins All zu schießen. "Meine persönliche Präferenz läge bei einer Frau", betont Zypries: "Deutschland könnte nach elf Männern auch mal eine Frau ins Weltall schicken." An geeigneten Kandidatinnen mangelt es nicht. "Es gibt eine aktive Frauen-Community in der Raumfahrt - die unterstütze ich gerne", so Zypries.

Einstweilen versucht sie bei Veranstaltungen mit Gerst in Schulen die schnell überspringende Begeisterung dazu zu nutzen, für technische Studiengänge oder Ausbildungen zu werben. Auch Gerst genießt diese Begegnungen, weil die jungen Leute schnell ein "Leuchten in den Augen" bekämen. So wie er, wenn er vom All erzählt.

(may-)
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