Perseiden Die lange Nacht der Stern­schnuppen

Düsseldorf · Der Himmel ist zwar oft bewölkt, aber vielleicht spielt das Glück ja mit. Denn in der Nacht zu Freitag regnet es Sternschnuppen. Von jeher fasziniert das Himmelsphänomen uns Menschen. Warum ist das eigentlich so?

 Diese Aufnahme zeigt die Sternschnuppen-Nacht im Jahr 2008. Das Bild entstand in Sofia.

Diese Aufnahme zeigt die Sternschnuppen-Nacht im Jahr 2008. Das Bild entstand in Sofia.

Foto: AFP

Leider gibt es keine Institution, die solche Statistiken erhebt, aber es könnte sein, dass in der Nacht zu Freitag häufiger geküsst wird als in anderen Nächten. Der Grund sind Sternschnuppen, davon soll es nach Mitternacht besonders viele geben, und Sternschnuppen gelten von jeher als Rampe für die Romantik: Man sieht hin, man schaut einander an, man schmunzelt, und dann kann man gar nicht anders als Hände zu halten und Lippen zu schürzen. "Überfließende Himmel verschwendeter Sterne prachten über der Kümmernis", schwärmte Rilke, und der kannte sich aus mit den Angelegenheiten des Herzens.

Kalte Himmelsmechanik

Wobei Sternschnuppen an sich zunächst bloß kalte Himmelsmechanik sind. Auf ihrem Weg um die Sonne durchquert die Erde jedes Jahr zwischen dem 10. und 14. August jene Bahn, die der Komet Swift-Tuttle um die Erde zieht. Swift-Tuttle umrundet die Sonne, er braucht 130 Jahre dafür, und er hinterlässt ziemlich viel Dreck dabei: Sein Schweif besteht aus Gas, Staub, Eis und Gesteinsbrocken. Und wenn die manchmal nur einen Millimeter großen Teilchen mit enormer Geschwindigkeit auf die Erdatmosphäre treffen, bringen sie die Luftmoleküle zum Leuchten. Diese Leuchtspur, diese illuminierte Flugbahn ist dann das, was wir mit dem schon phonetisch umwerfend schönen Wort Sternschnuppe bezeichnen. Rainer Maria Rilke, in dessen Werk Dutzende Sternschnuppen glühen, der also unbedingt als Sänger der Sternschnuppe gelten darf, beschrieb es so: "Fallende Sterne, die quer wie Pferde durch die Himmel sprangen über plötzlich hingehaltene Stangen unserer Wünsche".

Träne des Gemarterten

Die Schweifspur von Swift-Tuttle nennt man Perseiden, sie hat ihren Ursprung im Sternenbild des Perseus, wie Astronomen 1835 herausfanden. "Laurentiustränen" heißt das Phänomen auch, denn es fällt mit dem Fest des Märtyrers Laurentius zusammen, der am 10. August im Jahr 258 auf einem glühenden Rost hingerichtet wurde. Die Sternschnuppe als Träne des Gemarterten.

Überhaupt haben Sternschnuppen die Fantasie der Menschen angeregt, zumeist jene Fantasie, die sich aus der Herzkammer speist - siehe Rilke. Göttliche Lichtfunken seien das, haben sich die Menschen einst erzählt, Schicksalsboten also, und daher rührt auch der Aberglaube, man habe einen Wunsch frei, wenn man eine Sternschnuppe sehe. Voraussetzung: Man verrät ihn nicht. Was natürlich schwierig sein kann, wenn der Wunsch mit demjenigen zu tun hat, der gerade neben einem steht und von dem man hofft, dass er sich das gleiche wünscht. Fischer auf dem Meer deuteten Sternschnuppen als Vorzeichen einer guten Fahrt mit reichem Fang. Und besonders toll ist die frühe Erklärung, dass Engel Sternschnuppen entstehen ließen, weil ihnen beim Putzen der Himmelskerzen glimmende Dochte heruntergefallen waren.

Nur ausnahmsweise waren Menschen so eingeschüchtert vom Aufscheinen der Flugbahn eines leuchtenden Staubteilchens, dass sie furchtbare Erklärungen fanden. In der Mongolei dachte man etwa, die Unglückszeichen seien Spuren der Seelen von Verstorbenen auf ihrer Reise ins Jenseits. Und auf den Andamanen-Inseln im Indischen Ozean deutete man sie als Fackeln, mit denen böse Geister Jagd auf Menschen machen.

Flirt-Katalysator

Hierzulande gilt: Sternschnuppe gleich Romantik. Flirt-Katalysator. Man sieht das schon daran, dass man im Internet unter der Adresse mondland.de zum Valentinstag Sternschnuppen-Gesteinsbrocken in schmucker Holzschatulle für die Liebste bestellen kann: Ein Steinchen von fünf bis zehn Gramm kostet 34,90 Euro. Unbezahlbar hingegen dürfte sein, was man sieht, wenn man heute Nacht ab 0.30 Uhr Richtung Nordosten blickt. "Erhöhte Fallraten" kündigen die Fachleute an, ungewöhnlich helle Sternschnuppen gibt es dann ab zwei Uhr.

Man möge kein Fernglas benutzen, raten die Fachleute auch, das schränke das Blickfeld ein. Besser sei es, einen möglichst großen Bereich des Himmels einzusehen, und zwar am besten auf dem Land, denn in der Stadt ist es oft zu hell. Der Deutsche Wetterdienst kündigt zwar Wolken und Regen für NRW an, dennoch könne man zwischendurch Glück haben. Während in anderen Jahren um diese Zeit nämlich bis zu 50 Sternschnuppen pro Stunde gezählt wurden, sollen es heute 150 bis 200 sein. Der Grund ist die Gravitationskraft Jupiters, die einen Teil der Perseiden näher an die Erde gebracht hat.

Perry Como lässt grüßen

Vielleicht geht einigen beim Schauen in den Himmel der Song "Catch A Falling Star" des amerikanischen Popsängers Perry Como aus dem Jahr 1957 im Kopf herum. Der ist so etwas wie die Nationalhymne all jener, die sich nach vier-blättrigem Klee bücken und Wimpern von den Wangenknochen anderer Leute nehmen, damit die sich etwas wünschen können. "Catch a falling star and put it in your pocket." singt Perry Como, "never let it fade away". Man solle die Sternschnuppe fangen und in die Tasche stecken. Und wenn man dann irgendwann in einer sternenlosen Nacht neben jemandem stehe, den man in den Arm nehmen wolle, sagt Como, habe man immer eine Tasche voller Sternenlicht dabei.

Ganz sicher wird in dieser Nacht mehr geküsst als sonst.

(hols)
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